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Alles nicht mehr Drogba…

Vor zehn Jahren gewinnt der HSV als erste Mannschaft in der Allianz Arena, dem neuen Wohnzimmer der Bayern. Danach hätte alles anders kommen können. Irgendwie. Johannes Mittermeier (das ist der, der uns immer die große FUMS-Saisonvorschau schreibt) mit einem fiktiven Gedankenprotokoll.


Flocken verdichten sich zum Gestöber, Schnee überschüttet das Gelände. Ein paar weiße Rechtecke wirken, als hätte Frau Holle mit Schablonen hantiert. Der Untergrund gleicht mehr Ackerlandschaft denn Rasenkultur, und der Hamburger SV macht den Matsch-Point. Guy Demel (16. Minute) und Nigel de Jong (89.) treffen bei einem Gegentor von Mehmet Scholl (83.) zum 2:1 beim FC Bayern. Historisch! Als erstes Bundesliga-Auswärtsteam gelingt dem HSV am 4. März 2006 ein Sieg in der Allianz Arena. Heute jährt er sich zum zehnten Mal.

Seitdem wurde Bayern mindestens elfmal Meister und der HSV nie. Es ist eine der großen Was-wäre-wenn-Fragen der Bundesliga: Was wäre, wenn Hamburg den Erfolg hätte kanalisieren können? Und was wäre, wenn die Bayern daran zerbrochen wären? Ein fiktives Gedankenprotokoll.

März 2006

Tage nach der Abfuhr treten die Bayern beim AC Milan an. Und versagen gnadenlos. Der italienische Altherren-Reigen um Alessandro Nesta (49), Jaap Stam (52) und Clarence Seedorf (50), trainiert von Carlo Ancelotti (46), der noch nicht weiß, welches Experiment er in einer Dekade wagen wird, zerlegt konfuse Münchner mit einem 4:1-Donnerhall.

Mai 2006

Souverän sichert der HSV am 34. Spieltag den dritten Platz, der zur Teilnahme an der Champions-League-Qualifikation berechtigt. Als Verstärkung entpuppt sich insbesondere der hundeschnauzekalte Angreifer Ailton, auch gegen Ex-Klub Bremen kennt der schnellste Dicke der Welt keine Verwandten. Toll. In München sucht Michael Ballack entnervt das Weite, der Klub reagiert mit der Verpflichtung von Lukas Podolski.

Dezember 2006

Während Hamburg in der Königsklasse eine Festivität nach der anderen aufführt, leistet sich Bayern ein groteskes Pokal-2:4 bei Alemannia Aachen. Kurz darauf wird Felix Magath gefeuert.

April 2007

Hamburg gastiert zum zweiten Mal in München, wo selbst der reaktivierte Ottmar Hitzfeld ein 1:2 nicht verhindern kann. Perfide Note ist das Siegtor durch Ex-Bayer Paolo Guerrero, dessen Transfer im Übrigen eine Zäsur bedeutete: die gezielte Schwächung des Branchenkrösus. Bereits 2003 hatte Hamburg den in der FCB-Jugend geschulten David Jarolim geholt, es war ein Fanal. Die Machtverhältnisse verschieben sich im Nord-Süd-Gefälle.

Juni 2007

Der HSV greift an, erst kommt Weltstar Zidan, dann Weltmeister-in-spe Jérôme Boateng. Ganz anders Bayern, das sich mittlerweile in den UEFA-Cup gerumpelt hat. Die personelle Guillotine richtet, Champions-League-Helden wie Mehmet Scholl, Roque Santa Cruz und Owen Hargreaves werden entsorgt.

Mai 2008

Bayern lässt sich 0:4 von Sankt Petersburg verhauen. Weil sie es (nicht) können.

Mai 2008

Der Zerfall hält an. Hitzfeld zieht in die Schweiz, Torwart-Methusalem Oliver Kahn hört auf, sein Nachfolger ist Michael Rensing. Also, nochmal: Sein Nachfolger ist Michael Rensing. Auwei. Währenddessen zelebriert Hamburg ein 7:0 über den KSC, heiter ist die Fußballwelt.

Juni 2008

In einem Akt der Verzweiflung engagiert Bayern den Sommermärchen-Autoren Jürgen Klinsmann als Ober-Buddha, Chef-Optimierer und Dauer-Grinser.

August 2008

Der HSV treibt die Schwächung des Rivalen voran, indem er Marcell Jansen aus den roten Klauen befreit – jenen Jansen, der bei der WM 2010 im Spiel um Platz drei gegen Uruguay das 2:2 schießen wird. We call it Königstransfer. Hamburg ist nach vier Allianz-Arena-Einsätzen ungeschlagen. Verrückt.

April 2009

Wolfsburg schlägt Bayern irrwitzig derbe 5:1, ein Stürmer namens Grafit/Grafite/Grafitsch/Grafitschi/wieauchimmer umkurvt siebzehn Verteidiger und schließt per Hacke-Kuller-Zeitlupen-Todesstoß ab. Klinsmann klatscht in die Hände. Uli Hoeneß nicht.

Mai 2009

München tut, was München tun muss: Rentner für Reformer. Der juppt das schon. Ja, genau. Und Wolfsburg wird Meister.

Mai 2009

Was die Bazis einst beehrte, hat längst ein HSV-Antlitz angenommen. Ein Abseitstor in der Nachspielzeit des letzten Spieltags fixiert den Europapokal.

Juli 2009

Scham- und skrupellos wildert Hamburg beim angesägten Kontrahenten nahe der Isar, alsbald läuft Zé Roberto im Hamburger Hafen ein.

Januar 2010

Galaktischer geht‘s immer, eingekauft wird ein dreifacher niederländischer Fußballer des Jahres, siebenfacher Torschützenkönig und vormaliger Manchester-United-Starstürmer. Ablösefrei. Von Real Madrid. Und dann vannistelrooyt er bei seinem Debüt nach zehn Minuten einen Ball ins Netz und zwei Zeigerumdrehungen später noch einen. Rüüüüüüüüüüüüüüd.

Mai 2010

Das „Finale dahoam“ präsentiert Hamburg als höflicher Gastgeber, man gönnt Fulham die Bühne und übereignet Atlético den Pokal. Pfiffig überdies, weil damit garantiert ist, keine Traumata zu erleiden, die nicht tragbar sind. Oder wie es in Bayern heißt: nicht drogba.

Juli 2010

Hamburg will‘s wissen und angelt sich als nächsten Edeltropfen den heftig umgarnten Heiko Westermann. Einer für Gourmets.

Oktober 2010

Der FCB kriselt. Und zwar so gewaltig, dass die qua Vereinssatzung zementierte Wies‘n-Visite gestrichen wird. Erstmalig! Ersatzlos! Mia san schlecht.

April 2011

Alles nicht normal. Die Münchner probieren, mit dem holländischen Hilfsgehilfen Andries Jonker das Fernduell gegen Hannover um Rang drei zu entscheiden. Das Fernduell. Gegen Hannover. Um Rang drei. Seine Premiere feiert Jonker beim ebenfalls neu installierten Frankfurter Coach Christoph-der-Kopf-ist-das-dritte-Bein-Daum, wobei ein lausig getretener Strafstoß von Mario Gomez in der 90. Minute das Remis rettet.

Juli 2011

Während der Ex-Champ nun auf einen Trainer setzt, den Christoph-die-Wetterkarte-ist-aussagekräftiger-als-ein-Vier-Augen-Gespräch-mit-Jupp-Heynckes-Daum bereits vor 20 Jahren empfahl, handelt Hamburg in Voraussicht. Sie torpedieren ausnahmsweise nicht Bayern, sondern stechen mit vier dreisten Abwerbungen in Chelseas Mark.

Mai 2012

München vergeigt das Pokalfinale kolossal, 2:5 gegen einen Klub, der vor sieben Jahren noch röchelnd auf der Intensivstation kauerte. Und Flüssignahrung konsumierte. Gestampft.

Mai 2012

Der Tragödie zweiter Teil. Dass Bayern auch Chelsea unterliegt, trotz deren Fluktuation (siehe Juli 2011), basiert unter Umständen auf einem Kader, der jüngst folgende Premium-Produkte beschäftigt hat: Christian Lell, Massimo Oddo, Edson Braafheid, Andreas Ottl, Daniel Pranjic, Diego Contento, Takashi Usami, Nils Petersen.

August 2012

Der Bundes-Adler fliegt in Hamburg ein, anschließend landet ein kleiner Engel, der früher mal erwog, nach Valencia zu ziehen, ehe er registrierte, dass Madrid besser. Hach ja, verlorener Sohn und so.

Oktober 2012

Apropos verloren. Bayern schenkt ab, 1:3 in Minsk gegen Borisov, hernach hagelt es Pleiten gegen Leverkusen (1:2) und Arsenal (0:2). Was ist bloß aus diesem Verein geworden?

März 2013

Der HSV schafft zwei Auswärtstore in München, also genauso viele wie bei den Siegen 2006 und 2007 sowie dem Unentschieden 2008. Ist doch ansehnlich.

Juni 2013

Sabia Boulahrouz wechselt von Khalid Boulahrouz zu Rafael van der Vaart. Indes wechselt Sylvie van der Vaart von Rafael van der Vaart zu RTL.

Februar 2014

Der Hamburger SV denkt in Kooperation mit RTL an die zeitgemäße Aufführung des Duos „Sylvie & Bert“. Das Vorhaben ist rührig, scheitert jedoch unvermittelt am fehlenden Bert, als van Marwijk nur Käse produziert.

Januar 2015

Ein Geldgeber erwirbt 7,5 Prozent der HSV-Anteile und löhnt dafür 18,75 Millionen Euro. Kühne Geste, obendrein wird die Spielstätte erneut umbenannt. Aber auch, wenn sie künftig als Volksparkstadion firmiert, wird es für echte Fans immer die AOL-Arena bleiben.

Januar 2015

Systematische Ausbeutung, Episode xy: Über die Reiseroute Wolfsburg ergattert Hamburg die Dienstbereitschaft von Ivica Olic. Prompt blamiert sich Bayern zum Rückrundenstart. 1:4.

Juni 2015

Hamburg ist Relegations-Rekordmeister! Durch den Erfolg in Karlsruhe, prinzipiell nie ernsthaft gefährdet, hieven sich die Rothosen an die Spitze der ewigen Relegations-Tabelle (seit 2009). Sogar in Südamerika wird diese Kunde erfreut aufgenommen: Buenos Diaz.

Januar 2016

Bayern-Profi Medhi Benatia vergisst seine Gehaltsabrechnung im Auto, die Zahlen werden publik. Dilettantismus, der beim HSV nie passieren würde: Vertrauliche Dokumente wären nicht im Auto, aber vielmehr in einem Park drapiert. Und dort sicherlich nicht lose herumflatternd, sondern im Rucksack. Das ist ja das Mindeste.

März 2016

Der FC Bayern verliert sein Heimspiel gegen Mainz mit 1:2. Alles wie vor zehn Jahren. Nur noch schlimmer. Hallo, Carlo?