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Profikicker: Das sind doch keine Maschinen…

Poppe wieder. Diesmal gehts um den Traum eines jeden Jungen: Fußballprofi werden. Doch ist das wirklich so geil? Unser Autor Thomas Poppe macht hier mal eine komplett neue Baustelle auf und zweifelt nicht nur am Bilderbuch-Leben der Stars, sondern prangert auch unsere viel zu überzogene Erwartungshaltung an. Es ist doch okay, wenn auch ein Bundesliga-Spieler mal Schwäche zeigt, oder etwa nicht?


Als Kind wollte ich immer nur Fußball-Profi werden. Es war alternativlos, weil es der perfekte Beruf war. Fußball. Einfach nur Fußball. Und mehr verdienen als im Büro oder auf dem Bau – das kam noch dazu, aber es war eigentlich egal. Heute, Mitte 30 und ohne Bundesligaeinsatz und Länderspiel, bin ich irgendwie dankbar, dass das am Ende nie etwas wurde. Die Millionäre in den großen Ligen, ich neide ihnen keinen Cent. Klar, Kohle bis unters Dach, Model-Frauen, überall der Große sein – aber wir denken zu kurz. Die 98% des Lebens neben dem Platz, die sehen wir nicht.

Ein Plädoyer: Mehr Herz für Kicker.

Was hab ich damals geglaubt, wie geil das wird, wenn ich mal Profi bin. Täglich kicken, das tat ich ja eh. Bolzplatz, Verein, zur Not allein aufs Scheunentor. Als Kind denkst du an Pokale und nicht an Prämien. Du denkst an den Anruf vom Bundestrainer und nicht an die von PR-Agenten. Wisst ihr noch, was ihr mit 14 oder 16 angestellt habt? Die erste Freundin, der erste Suff, hier mal was Verbotenes, da mal was Legendäres getrieben. Wenn ihr heute in die Startelf eines Bundesligisten wollt, habt ihr in diesem wunderbaren Alter längst alles untergeordnet. Die besten Jahre auf Verdacht hergegeben. Wo deine Alterskollegen sich die Birne weghauen, machst du Extraschichten am Kopfballpendel. Und immer schön Druck, weil der Trainer weniger Empfehlungen verteilt als der Bachelor Rosen.

Aber gut, ist ja dein Traum. Immer weiter machen. Wenn du es schaffst, kommt das geile Leben von allein.

Denkst du. Was wirklich kommt, sind ganz viele Leute, die plötzlich deine Freunde sein wollen. Berater, Agenten, Bekannte. Alle wollen ein Stück von deinem Kuchen und haben Rücksäcke voller Ratschläge. Bisher war immer nur Fußball und plötzlich musst du Entscheidungen treffen. Wo deine Jungs einmal überlegen mussten, ob sie Maurer oder Mechatroniker lernen, geht es bei dir um Werbeverträge, Manager, Vereine, Termine und tausend weitere Dinge, die dich einholen können.

Dabei willst du ja eigentlich nur kicken. Mädels finden dich plötzlich auch super, wenn sie wissen, was du machst. Aber wo willst du eine kennenlernen? Tinder und dein Profil in der BILD sehen? Sicher nicht. Also musst du im VIP-Bereich der Disco suchen, obwohl du doch viel lieber das Mädel von nebenan kennenlernen würdest. Und nie kannst du mal steil gehen. Mal drei, vier Bier zu viel trinken und im Vollrausch Blödsinn machen.

Wer noch nie betrunken ein peinliches Foto verschickt hat, der werfe den ersten Döner!

Aber gut, geht ja um Fußball. Du bist dann also Profi und musst liefern. Immer. Weil…, du bekommst ja den ersten Hunni schon, wenn du morgens auf dem Topf hockst. Je nach Dauer auch nen Taui. Dass dein Klopapier sich trotzdem nicht automatisch auffüllt und dein Tag scheiße sein kann, danach fragt dich keiner. Vielleicht sind deine Kids gerade anstrengend, vielleicht ist dein Papa schwer krank, vielleicht läuft es mit der Freundin gerade nicht. Fragt aber keiner danach. Im Büro, da kannst du das dem Chef unter vier Augen erzählen. Aber stell dich mal nach dem 0:2 vor das Sky-Mic und sag sowas wie „Boah, die Kleine zahnt daheim, wir schlafen gerade wenig.“ Oder: „Meine Mutter hat eine Krebsdiagnose bekommen und ich glaube, meine Frau betrügt mich mit Mario Gomez!“ Kannste schon machen. Einmal.

Das viele Geld auf dem Konto. Klar ist das geil.

Aber das ist auch eine Last, wenn du von 50 Euro Taschengeld in einem Jahr zu 50.000 netto wechselst – pro Woche. Gerade, wenn du anders aufgewachsen bist. Social Media musste natürlich auch machen. Sagt deine PR-Agentur. Schuhe bunt, öfter mal neue Frisuren – das erhöht den Marktwert. Und du willst eigentlich nur kicken.

Ein Bundesliga-Profi hat mir mal erzählt, sie haben aus der Vereinskasse 10.000 Euro gespendet und daraufhin Kritik bekommen, weil das doch so wenig sei. Die 50.000 Euro, die ohne viel Lärm an eine andere Stiftung gingen, die sah keiner. Scheiß Millionäre! Am lautesten rufen die, denen ein 10er für einen guten Zweck schon zu viel ist. Wir sitzen wie Waldi Hartmann daheim, trinken gemütlich unsere 2-3 Weizen und schimpfen. 60 oder 70 Mal im Jahr muss geliefert werden. Dabei müssten wir eigentlich selbst wissen, dass das nicht geht. Während wir zur Entspannung mal essen gehen, machen die Jungs erst mal 200 Selfies mit wildfremden und schreiben 800 Autogramme. Da hocken wir schon wieder daheim, da machen die Jungs noch PR. Wehe du sagst mal „Nein“, da bist du sofort der überhebliche Profi.

Vom Risiko, dass das morgen alles schon vorbei sein könnte, wenn dein Kreuzband nicht will, fang ich gar nicht groß an.

Ich hab es nie zum Profi geschafft und vielleicht liege ich total falsch. Vielleicht hat man auch mega Spaß, die ganzen Städte Europas zu sehen – also zumindest Flughafen, Hotel und Stadion. Vielleicht isses ja geil, wenn man mit 32 plötzlich als zu alt für seinen Job gilt und mit 35 keine Kohle mehr rein kommt, dein Leben aber auf die 50.000 pro Woche ausgelegt ist. Eventuell freut man sich auch, wenn der Boulevard dich wie die Sau durchs Dorf treibt, wenn du nicht die Sätze deiner Berater auswendig lernst, sondern mal offen redest. Bestimmt macht es total Spaß, wenn ganz Deutschland sich das Maul über deine neue Beziehung, deine Frisur oder dein Dödel-Video zerreißt. Ich bin mir da nicht so sicher. Und vielleicht sollten wir alle mal daran denken, wenn wir das nächsten Mal hasserfüllt einen der Scheiß-Millionaros verfluchen, der keine 100 Prozent bringt. Profifußballer sind nämlich keine Maschinen.


Von Thomas Poppe
(hört im Radio gerne Tim Bendzko, Anm. d. Red.)

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