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Das erste Mal Stadion mit dem Sohn – ein Rückblick in eine andere Welt

Genau ein Jahr ist es heute her, dass unser Head of Humor Thomas Poppe mit seinem Sohn im Stadion war. Das erste Mal Bundesliga für den Sechsjährigen. Mit Blick auf die aktuelle Situation wirkt die Erzählung wie aus weit vergangenen Jahren – umso mehr lohnt es sich, mit Anton und Papa durch ein volles Stadion zu wandern.


Es wird immer so gern von diesen berühmten Vater-Sohn-Momenten gesprochen: Die ersten Worte, die ersten Schritte, Radfahren lernen, Schwimmen beibringen. Ich habe sie alle schon hinter mir und freue mich noch auf so viele weitere, die da noch kommen. Nun, knapp eine Woche vor dem nächsten, großen Papa-Moment, wenn dein Kind mit der Schultüte erstmals ins Klassenzimmer marschiert, kam noch dieser andere. Das erste Mal zusammen in ein Bundesliga-Stadion.

Da sind wir also. Der Papa, der Onkel und dieser 6-jährige Kerl namens Anton – unterwegs nach Frankfurt ins Waldstadion. Anton hat keine Ahnung, was ihn erwartet. Wie auch. Er hat noch nie mehr als ein paar tausend Menschen auf einem Fleck gesehen. Fußball im Fernsehen? Geht so. Mal schauen, wer spielt und wie es steht – reicht. Ein paar Spieler findet er spannend. Dortmund, Bayern und Frankfurt mag er mehr als andere, aber so wirklich Fan ist er auch nicht.

Lieber selbst kicken. Lieber live schauen: vier Kids auf dem Bolzplatz, Kreisliga, völlig egal. Er hat noch diesen beneidenswert unschuldigen Blick auf dieses wunderschöne, aber beschmutzte Spiel. Wie einer, der denkt, beim Wrestling wäre alles echt und dass es den Weihnachtsmann noch gibt. Wir waren in der Regionalliga bei Viktoria Aschaffenburg. Das war seine kleine Quali-Runde für das ganz große Stadion und er hat sie gemeistert.

Fragen, die Erwachsene nicht mehr stellen

Das hier ist eigentlich so ähnlich und doch so viel größer. Schon der Weg zum Stadion wird zur Fragestunde. So viele Autos, so viele Menschen. Gehen die alle zum Spiel? Warum ist da vorne Blaulicht? Sind wir schon da? Bratwurst, da vorne gibt es Bratwurst! Ist es noch weit? Antons Onkel und ich müssen tippen. 50 Cent in den Pott. Sein 3:1 für Frankfurt ist kein schlechter Tipp, ich halte mit 2:2 dagegen, mein Bruder steigt etwas uninspiriert mit 2:1 ein.

Dann wieder Fragen. Immer mehr, je näher wir ans Stadion kommen. Ist was passiert, weil hier Krankenwagen sind? Warum ist hier Polizei, aber keine Feuerwehr? Gibt es Limo und kann man die Becher mit nach Hause nehmen? Keine dummen Fragen. Einfach Fragen, die wir Erwachsenen längst nicht mehr stellen. Abtasten, Ticket scannen, Drehkreuz. Wie aufregend. Noch mehr Menschen, noch mehr Polizei, noch mehr Fragen. Müssen die Spieler auch so weit zum Stadion laufen?

Dann kommt er. Dieser eine Moment. Die Treppen hoch. Erst mal nur den tristen Beton vor Auge, dann irgendwer in Warnweste, der nochmal das Ticket sehen will. Und dann rein. Rein zu den 50.000 Menschen. 25 Mal das Dorf, in dem wir wohnen. 2000 Mal die Schulklasse in die Anton bald kommt. So viel. So viele. Ich liebe es. Das Eintauchen, das drin sein, das Ankommen. Die Reihe suchen, das Durchwühlen zum Platz, die Sitznachbarn, der erste Blick auf das Feld.

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© Thomas Poppe / FUMS

Die Frau auf dem Karussell

Er hat diesen „WOW!“-Ausdruck im Gesicht, der dann schnell wieder verschwindet, weil er schauen muss. Überall hin. Etwas skeptisch. Viel zu viele Impressionen. Viel zu viele Fragen auf einmal. Hinter uns eine Familie, vor uns absolute Eintracht-Fans, neben mir zwei Jungs, die Düsseldorf die Daumen drücken. Schnell noch mal auf die Toilette. Dann endlich Bratwurst holen. Limo holen. Und fachsimpeln über Stadionbecher und Stadionwurst mit einem 6-Jährigen.

Als alle sich erheben und mit dem Polizeichor Frankfurt „Im Herzen von Europa“ anstimmen, ist er wieder im Tunnel. So viele Schals, so viele Leute. Fast schon ehrfürchtig flüstert er die Namen mit, die er schon kennt, als die Aufstellung gebrüllt wird. Hinsetzen, Anpfiff, endlich mal wieder Zeit für einen Biss in die Bratwurst und neue Beobachtungen.

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© Thomas Poppe / FUMS

Das Spiel ist ok. Kein Feuerwerk, kein Leckerbissen, aber es ist Anton ohnehin egal. Er saugt weiter alles auf, was er nicht auch vor dem Fernseher hätte sehen können. Mal hängt sein Blick fast eine Minute in der Gästekurve, dann wieder bei den SGE-Fans. Dann schaut er erstaunt auf schwenkbare Sky-Kamera an der Seite, bis er sich zur Frage durchringt, was die Frau auf dem Karussell da macht. Als Düsseldorf trifft, trifft es ihn nicht besonders hart. Schade irgendwie, aber auch nicht schlimm. Er hat ja 3:1 getippt. Geht ja noch.

Schon wieder ein Foul, warum gibt es da kein Gelb? Wie viel Nachspielzeit es gibt, will er mit mir und meinem Bruder tippen und ist etwas enttäuscht, dass es nicht seine drei Minuten werden. Warum die Uhr auf dem Würfel bei 45:00 nicht weiter läuft, wenn doch das Spiel noch läuft – eine Frage, die ich mir seit Jahren stelle. Halbzeit. Wieder Toilette. Bas Dost kommt. Anton hat noch nie von ihm gehört. Aber wer so heißt und so groß ist, muss was können. Als er trifft, reagiert Anton grinsend mit einem abgeklärten „Ausgerechnet der“-Satz, wie ihn nur Leute sagen können, die den Zauber des Spiels verstanden haben.

Warum klettert da einer auf den Zaun?

Irgendwann plätschert das Spiel dann so ein wenig vor sich hin. Es geht auf 20.00 Uhr, und während die Eintracht um den Sieg kämpft, kämpft Anton gegen die Müdigkeit. Das 2:1 macht ihn wieder wach. Der Lärm, die Leute, die Chance, das Poppe-Tippspiel noch zu gewinnen. Mist, Abpfiff. Überall Jubel. Die Düsseldorf-Fans tun ihm ein wenig leid. Toilette, schnell noch mal auf die Toilette, aber dann noch mal rein und schauen, wie die Eintracht mit den Fans feiert. Und natürlich schnell noch ein paar Fragen.

Warum da einer auf dem Zaun geklettert ist, was auf den ganzen Plakaten steht, warum da ein Kind mit bei den Spielern steht. Dann ist es genug. Ist es eigentlich schon lange. Dieses simple Spiel mit 22 Leuten und einem Ball hat einen sechsjährigen Jungen erschlagen. Mit Eindrücken. Ab zum Auto. Ein paar Leute aus Düsseldorf finden ihren Wagen nicht mehr, irren umher. Müssen die jetzt warten, bis alle weg sind? Schnell noch auf einer dieser Streamingplattformen die Highlights am Handy anschauen. War das wirklich das Spiel, bei dem wir waren – es sieht alles so anders auf dem kleinen Bildschirm aus. Es war doch so viel mehr als die drei Tore.

Und dann sind wir wieder unterwegs. Papa, Onkel und Anton. Auf dem Weg nach Hause. Drei Becher und tausend Erinnerungen im Gepäck. So viele Fragen im Kopf, die Anton heute nicht mehr stellen wird. Nur eines sagt er noch laut: „Können wir das wieder mal machen? Vielleicht mal nach Dortmund, wenn die gegen Frankfurt spielen?“ Dann ist Ruhe auf dem Rücksitz. Verarbeiten. Die ganzen Eindrücke, die Menschen, die Dimensionen. Bas Dost. Was für ein Name und Daichi Kamada erst.

Jeden Cent wert

Irgendwann sind die Augen zu und als er kurz vor der Haustüre aufwacht, als hätte er eine innere Uhr gestellt, sagt er noch „Danke!“ zum Onkel und beim Aussteigen „Die 50 Cent gebe ich dir das nächste Mal, wenn wir uns sehen, jetzt will ich ins Bett!“ 34 Euro hat meine Karte gekostet. 30 Euro das Ticket von Anton. Limo-Becher, Bratwurst, Parkplatz. Kein Ding, was man jedes Wochenende einfach mal so macht. Aber eben doch jeden Cent wert, weil es so viel mehr ist, als auf der Couch auf ein Spiel zu blicken und nebenbei am Handy zu surfen. Was für ein überragender Ausflug – hoffentlich auch für Anton.


Von Thomas Poppe
(bewirbt sich jedes Jahr aufs Neue als Vater des Jahres, Anm. d. Red.)