Deadline-Day: Wie Silvester – nur zwei Mal im Jahr
Es ist wieder soweit. Deadline Day. Oder #DeadlineDay. Zwei Mal im Jahr wird die englische (und europäische) Fußballwelt ganz hibbelig. Besonders teure oder besonders billige Spielerwechsel, Pech und Pannen sowie quietschgelbe Kleidung – am letzten Transfertag scheint alles möglich. Doch ist dieser Hype wirklich gerechtfertigt? Jan-Hendrik Luft fühlt sich manchmal an eine Silvesterfeier erinnert.
Dass der letzte Tag eines Transferfensters schon immer genutzt wurde, um noch fix vor Toreschluss einen Spieler zu verpflichten, ist natürlich völlig klar. Doch die Verhältnisse haben sich im Laufe der Jahre stark verändert: Waren es am Deadline Day im Januar 2004 gerade mal acht Spieler, die entweder zu einem Premier League-Verein wechselten oder diesen verließen, wurden zehn Jahre später 48 Akteure an diesem Tage transferiert!
Der Hype dürfte wohl im Winter 2010/2011 so richtig ins Rollen gekommen sein, als der FC Chelsea sowie der FC Liverpool am letzten Transfertag nochmal ein wenig Kleingeld investierten. Die Blues holten für 75 Millionen Euro Fernando Torres und David Luiz, die Reds verpflichteten Luis Suarez und Andy Carroll für rund 65 Mio. Euro. Was für ein Tag! Was für eine Aufregung!
Winterschlussverkauf im Januar
Fortan fieberten Fans und Medien diesem Tag zwei Mal im Jahr entgegen, in der Hoffnung wieder solch überraschende Hammer-Transfers erleben zu dürfen. Und es gab auch weiterhin Deadline-Days, die den Erwartungen gerecht wurden. Mit Carlo Ancelotti funktionierte es nicht (Bayern-Fans dürfte dieser Satz bekannt vorkommen), weshalb Real Madrids Mesut Özil am letzten Transfertag im September 2013 dem Lockruf von Arsène Wenger und dem FC Arsenal nicht länger widerstehen konnte. Pierre-Emerick Aubameyang (Dortmund-Fans dürfte dieser Spielername aufgrund von Alcácer und Sancho nicht mehr so bekannt vorkommen) und Lucas Moura wechselten im Januar 2018 für 60 Mio. Euro zu den Gunners beziehungsweise für schlappe 28 Mio. Euro zu Tottenham. Da blitzte der mögliche Wahnsinn eines Deadline-Days mal auf.
Und dann gab es Jahre, in denen der letzte Transfertag so sexy war, wie ein Dienstagabend-Spiel im Nieselregen bei Stoke City. Wenn die teuersten Verpflichtungen eines Deadline-Days Kostas Mitroglou (Januar 2014), Gianelli Imbula (Februar 2016) oder Manolo Gabbiadini (Januar 2017) heißen, klingt das ja doch eher nach weniger Entertainment und Aufregung. Gepaart mit den inzwischen aberwitzigen Summen, die englische Klubs bereit sind, für mittelmäßige Profis auszugeben, sorgt der Deadline-Day bei mir eher für Kopfschütteln.
Wie Silvester: Jeder hofft auch den großen Knaller
Letztlich erinnert der letzte Transfertag dann tatsächlich ein bisschen an eine Silvesterfeier. Vor einigen Jahren gab es mal eine überraschend großartige Party, an die alle mit Begeisterung zurückdenken. Doch seit diesem Abend sind die Erwartungen an das nächste Fest so dermaßen gestiegen, dass sie nur noch selten erfüllt werden können. Dass die englischen Profiligen im Sommer neuerdings das Transferfenster im Vergleich zu anderen Ländern früher schließen, erinnert auch ein wenig an die Leute, die es am Silvesterabend inzwischen eher ruhig angehen oder schon um 22 Uhr im Bett liegen wollen. Und irgendwie ist man dann auch froh, wenn die Uhr runtergelaufen ist und man sich wieder auf die wirklich wichtigen Dinge konzentrieren kann.
Aber dennoch: Der Deadline-Day hat seine Momente, die ich so gerne habe und schätze. Wenn die Reporter im SkySports-Studio zugeschaltet sind, frierend vor den Trainingszentren der Profi-Klubs weit außerhalb der Städte stehen und dann doch nur berichten können, dass der Deadline-Day bei Norwich City oder West Bromwich Albion sehr ruhig abläuft, kann ich mich immer wieder über die unfreiwillige Komik der Situation erfreuen. Oder wenn Harry Redknapp aus seinem Auto heraus den Journalisten mit wichtiger Miene erzählt, dass er zum 37. Mal Niko Kranjcar verpflichtet hat. Lasst uns hoffen, dass wir auch dieses Mal ein paar kuriose Momente erleben werden. Und danach können wir uns wieder ganz auf den Fußball konzentrieren. Guten Rutsch!
Von Jan-Hendrik Luft
(Weil wir vor lauter Transfers heute kaum Luft holen können, haben wir uns Jan-Hendrik geholt – Megatransfer, Anm. d. Red.)