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EM2016-Eventfans? Lasst sie in Ruhe!

Poppe wieder! Diesmal widmet sich unser Autor Thomas Poppe dem Mega-Event Europameisterschaft 2016 und wirft ein Auge auf die unzähligen Eventfans, die alle zwei Jahre zu WM und EM aus ihren Löchern kriechen. Jene Leute, für die der Fußball eigentlich nur Nebensache ist. Jene Leute, die einfach nur abfeiern wollen.


Nach unendlich langen zwei Wochen rollt das runde Leder wieder und plötzlich geht es alle etwas an. Omi kauft extra bei REWE, dass der Enkel die fehlenden Karten von Ginter, Reus und Bellarabi noch bekommt, Mutti hat für die Grillparty mal ganz pfiffig Lampions in Nationalfarben gekauft und Papi hat dieses Mal sogar die Autofähnchen von der WM gerettet, statt schon wieder zwei Euro im 1-Euro-Shop liegen zu lassen. Vielen „echten Fans“ sind „diese Leute“ ein Dorn im Auge und ich muss gestehen, mir gingen sie auch lange auf den Sack.

Heute bin ich mit ihnen, den Event-Fans, im Reinen. Football is for you and me, EM sogar für he and she! Klar ist das irgendwie befremdlich, wenn sie plötzlich alle aus ihren Löchern kommen. Die, die sonst genervt sind, weil man am Samstagmittag nicht mit ins Schwimmbad geht, weil man lieber Bundesliga schaut. Die, die sonst nicht verstehen können, warum man emotionaler auf ein Pokalspiel reagiert, als auf eine Romanverfilmung von Nicholas Sparks. Die, die Fußball nur wegen Skandalen und den Modeblogs ihrer Frauen kennen. Und warum? Weil ihnen zwei Monate davor von allen Seiten eingeredet wird, dass die EM der heiße Shit ist. Ein Event bei dem man Spaß haben kann, dass eine ganze Nation cool findet und verfolgt.

Und wer am nächsten Tag im Büro oder Pausenhof nichts dazu sagen kann, hat verloren. Wie Dschungelcamp, nur eben alle zwei Jahre.

Natürlich bleibt es für uns, die wir uns den Quatsch das ganze Jahr antun, ein Unding. Da stehen sie beim Public Viewing mit ihren Vuvuzelas, einem Hawaii-Halsband in schwarz-rot-gold und dem Hummels-Trikot für 89,95€ und jubeln noch eine Minute über ein Tor, bei dem wir zwei Pässe vor dem Abschluss schon „Scheiße, Abseits“ gebrummelt hatten. Und dann feiern sie Vorrunden-Siege gegen den 112. der FIFA-Rangliste, als hätte man gerade den IS, Krebs und Brasilien in 90 Minuten besiegt um bei Niederlagen mit einem Schulterzucken nach einer Partyalternative zu suchen, während „wir“ uns zwei Tage zu irgendwas von Naidoo in den Schlaf heulen müssen.

Und dennoch sage ich: Lasst sie halt. Hasst nicht die Verbraucher eines Produktes, das längst für genau diese Leute gemacht wird! Lacht nicht, wenn jemand eine EM-Motto-Party schmeißt, weil selbst die kleinste Dorfmolkerei längst jeden Werbe-Euro in „Kauf mich, sei cool, sei EM“-Kampagnen steckt. Schimpft nicht, weil Leute sich für einen Sport interessieren, der ihnen 23 Monate am Arsch vorbei geht, weil wir selbst in zwei Monaten voller Euphorie beim Kanufahren auf dem Olymipa-See von Rio mitfiebern werden.

Seid nicht genervt, wenn sie überall zu Waka Waka und Love Genereation abfeiern und die 30. „Humba“ anstimmen, weil nur wir die Gänsehaut kennen, die 80.000 Fans mit „You’ll never walk alone“-Gesang bei Dortmund gegen Liverpool oder die Irland-Fans mit 15 Minuten „Fields of Athenry“ verursachen.

Ich sage: Lasst sie halt, weil sie ein Fußball-Turnier nie so erleben und empfinden werden wie wir. Das Warten auf einen Titel und die vielen Enttäuschungen auf dem Weg dorthin, machen ihn erst zu dem, was er ist. Für die Event-Fans ist die Euro mit dem Schlusspfiff des letzten Spiels vorbei und für zwei Jahre ist Fußball wieder egal.

Es war nur ein Event irgendwo zwischen Holy Festival und dem Malle-Urlaub und der neue Europameister ist ein Name mit so viel Wert wie der des Dschungelkönigs oder des DSDS-Siegers. Sie warten nicht darauf, wie wir. Sie denken nicht „Oh je, wieder zwei Jahre bis zum nächsten Turnier“ sondern „geil, nächste Woche ist ja schon Just White Party in Frankfurt!“ Und wir? Wir schauen fleißig weiter alles, was geht und füllen den Schubkarren der Enttäuschungen mit ganz vielen Steinen, die uns dann, wenn es endlich mal wieder so weit ist, vom Herzen fallen. Und dann, dann können sie noch so viele Vuvuzelas und Hawaii-Ketten und volle REWE-Sammelalben haben. Dann gehört der Moment uns. Auch wenn „die“ das nie verstehen werden.


Von Thomas Poppe
(bekommt das nächste Mal eine Vuvuzela geschenkt, wenn er mit seiner Schubkarre der Enttäuschungen wieder in der FUMS-Redaktion aufschlägt)

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