Just imagine: Frauenfußball 2059
Gedankenspiel in der Mittagspause: Stellt euch mal vor, Frauenfußball boomt und Spielerinnen sind Megastars, während der Männerfußball sich nach Abonnement-Wahnsinn, Über-Kommerzialisierung und verschobenen Wüstenturnieren endgültig aus dem Fokus der Gesellschaft verabschiedet hat. Wie wäre das? FUMS-Autorin Solveig Haas ließ ihre Gedanken schweifen und war am Ende kaum noch in die reale Welt zurückzuholen. Eine Tagträumerei.
Berlin im Juli 2059. Die WM ist vorbei, Deutschland hat erneut den Titel geholt. Vor wenigen Tagen haben sich die Siegerinnen mit einer großen Party am Brandenburger Tor in den verdienten Sommerurlaub verabschiedet. Fußball ist in aller Munde, nie war die Begeisterung für das eigene Team bei einem Turnier so groß – schließlich können alle dank Virtual Reality-Technologie live im Stadion dabei sein. Über die Hälfte der Bevölkerung, so aktuelle Zahlen, hat sich dieses Spektakel nicht nehmen lassen und sich die begehrten Second Life-Kontaktlinsen für durchschnittliche 89,99€ gekauft.
Einer von ihnen ist Jakob. Der 18-Jährige hat kein Spiel der DFB-Frauen verpasst und möchte auch eines Tages mit Fußball sein Geld verdienen. Auch ein Star sein, bekannt werden durch den Fußball. Ein Traum, der für Jakob einer bleiben wird, denn auf gut bezahlter Profi-Ebene sucht man Männer seit Langem vergebens. Zwischenzeitliche Versuche skandinavischer und niederländischer Klubs, geschlechtsunabhängige MIxed Mannschaften im Ligabetrieb gegeneinander antreten zu lassen, scheiterten final an veralteten Verbandsregularien aus der Anfangszeit des Jahrtausends.
Männer, die einen WM-Pokal in die Luft strecken und zu Volkshelden werden – das kennt Jakob ausschließlich von Erzählungen seiner Großeltern. Damals, 2014. Das waren noch Zeiten. Danach ging es stetig bergab, die berühmt-berüchtigte Winter-WM in Katar 2022 markierte einen historischen Wendepunkt – einen Abwendepunkt im wahrsten Sinne des Wortes. Aus einem sich abgezeichneten Abwärtstrend wurde eine nicht mehr aufzuhaltende Abwärtsspirale. Ihr Lieblingssport war den Fans überdrüßig geworden.
Männerfußball verlor seinen Reiz, parallel schafften es die Frauen, dem stark beschmutzten Fußballgeschäft ein Stück weit seine weiße Weste zurück zu erobern. Auf dem Platz mit dem Herz in der Hand und mit transparenter Gehaltsobergrenze am Verhandlungstisch. Und auch medial hat sich etwas getan: Marktführer ELFEN TV Super-Ultra 4k HD LIVE 1-12 überträgt als alleiniger Rechteinhaber alle Spiele der 1. und 2. Bundesliga. Große Samstagskonferenz ab 15.30 Uhr – das ist wieder eine Uhrzeit, die Fußballfans vor ihre Devices lockt, so sie denn nicht live vor Ort die neu hochgezogenen 120.000er-Multifunktionsarenen füllen.
Zurück zu Jakob. Ob er am nächsten Wochenende die Schuhe für seinen Verein Hertha BSC schnüren wird können, ist fraglich. Er muss erst abwarten, ob sein Kollege seine Schicht übernehmen kann. Zum Training schafft er es wegen seines Jobs auch nicht immer. Trotzdem: Jakob hat sich bei Trainerin Pia Preetz in der Abwehr einen Stammplatz erkämpft. Sportlich ist die Alte Dame ist mit ihrem Herrenteam im Niemandsland der 2. Bundesliga versunken. Derweil spielen die Hauptstadt-Frauen seit 10 Jahren Super-League. Trainiert von einem Roboter. Bot City Club. Endlich.
WAKE UP CALL! Die Mittagspause vorbei! Und jetzt schnell wieder ran an die Arbeit. Es ist wirklich noch viel zu tun, bevor diese Utopie auch nur ansatzweise zur Realität werden kann. Aber träumen wird ja wohl noch erlaubt sein, oder?
Von Solveig Haas (würde lieber mit Fußballspielen Geld verdienen, muss aber leider für FUMS Texte schreiben, Anm. d. FUMS-Redaktion)
FYI: Dieser Artikel ist vorab in der März 2022 Ausgabe des ELFEN Magazins erschienen.