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Dahlmann: „Ich bin fast wie einer vom Ordnungsamt“

Müsstest du dich entscheiden zwischen Live-Spiel im Stadion oder Sprecherkabine in München, dann…?!
Es ist ja beides live, in der Kabine ist es eben nur die Konferenz. Bei meinem Gespräch mit Burkhard Weber (ehemaliger Sky-Chef, Anm. d. Red.) hat er mich damals gefragt, was ich machen möchte. Was wäre dein Wunsch? Da habe ich gesagt: Am liebsten Konferenz. Ich find’ Konferenz einfach geil, es ist einfach emotionaler. Die Emotionen kannst du da besser ausleben als im Einzelspiel.

Das ist aus Perspektive unserer FUMS-Arbeitsnachweise natürlich blöd gelaufen, so ein Einzelspiel bietet da schon deutlich mehr Möglichkeiten, das Ding vollzukriegen…
Ich hatte beispielsweise am 33. Spieltag, wo ich in der Neuner-Konferenz Köln gegen die Bayern kommentiert habe, kaum die Gelegenheit, etwas zum Spiel zu sagen. Da hieß es Tor in Köln und dann ging es schon wieder in ein anderes Stadion. Es hat schon seinen Grund, dass die Konferenz noch höhere Einschaltquoten hat als die Einzelspiele. Unser Ziel ist es, Kompetenz und Expertise mit Leidenschaft und Emotion zu kombinieren – und das in die Wohnzimmer zu transportieren…

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Das ist dann wirklich so „Abteilung Emotion“?
Wir werden immer auch journalistisch sein. Mit allem was dazugehört. Analysen, Daten, Meinungen. Aber Fußball ist eben nicht nur für mich auch Leidenschaft. Am Ende macht es die Mischung, und da sind wir bei Sky aus meiner Sicht unschlagbar. Aber, wenn jetzt zu viel über taktische Dinge geredet wird, wenn es ein Kommentar ist für die Fußballlehrer-Anwärter, dann ist das für mich einfach too much. Aber in einer Konferenz macht es wie gesagt die Mischung.

Gibt es einen Kollegen, den du richtig gut findest?
Wolff Fuss. Und Kai Dittmann. Ich höre beide wahnsinnig gerne, die sind auch unterschiedlich, machen das aber beide wahnsinnig gut. Gibt aber auch von anderen Sendern Kollegen, Thomas Herrmann, mit dem bin ich Jahre Seite an Seite gegangen bei sport1, Béla Réthy ist ein sehr großer Kumpel von mir, ich bin Patenonkel von seiner Tochter.

Wir haben es eben angesprochen – jetzt wieder die größere Bühne – erreicht dich mehr Feedback als vorher?
Ja. Also…die meisten Leute melden sich ja, wenn Dinge nicht so gut laufen. Bei sport1 habe ich sehr negative Zuschriften bekommen, an mich oder an den Sender. Da haben die Leute sich vor allem darüber beschwert, dass ich Zuschauer mit reingenommen habe in meine Berichterstattung. Ich sage dem Kameramann, er soll Kurioses, Emotionales einfangen aus dem Publikum. Die ehrlichsten Emotionen kommen von Zuschauern. Daran habe ich mich selbst immer ergötzt. Aber ich kann auch Zuschauer verstehen, die sagen: Ich will das Spiel sehen und nicht die Zuschauer. Geschmack kriegst du nie unter einen Hut, das werdet ihr wissen, wenn es um Fußball und Humor geht.

Am Anfang, als Buschi und ich angefangen haben, erstmals in der Bundesliga-Konferenz, da haben wir richtig viel Fett abbekommen. Das war schon heftig, weil es fast durchgehend negativ war.

Auch von vielen Journalistenkollegen, die sich negativ geäußert haben.

Da haben mich schon auch ein paar Dinge getroffen. Ein User hat geschrieben, dass er hofft, dass ich vom Krebs zerfressen werde. Mit dem Hintergrund, dass ich schon dreimal in meinem Leben Situationen hatte, in denen ich genau damit konfrontiert wurde.

Ich versuche eigentlich an vielen Stellen die Leute zu ermutigen, zur Vorsorge zu gehen. Das habe ich gerade bei der Geschichte mit dem Darmkrebs mal bei Markus Lanz erzählt. Hinterher hörst du dann von zwei, drei Leuten, dass sie wegen dir zur Vorsorge gegangen sind und die bedanken sich dann dafür.

Inwieweit lässt du das an dich ran? Interessierst du dich für das, was da über dich heute und morgen im Internet geschrieben wird?
Doch, es interessiert mich schon, wie die Kritik ist. Und ich nehme es mir zu Herzen, wenn sie geballt negativ kommt. Aber ich bleibe dabei: Fußball ist zu einem großen Teil Emotion und Leidenschaft, und das, glaube ich, verkörpern eben Typen wie Frank Buschmann oder ich zweifellos mehr als andere. Ich glaube aber nicht, dass wir überpacen – auch wenn ich mir manchmal denke, Tranquillo, chico, so wie wir in Spanien sagen.

Spanien ist ein gutes Stichwort – mal an einen Lippenlesen-Liebhaber wie dich – was macht es mit dir, dass seit zwei Jahren alle Spieler die Hand vor den Mund halten, damit man ihnen nicht mehr ansieht, was sie da sagen?
Fürchterlich (lacht), fürchterlich! 

Klar, man kann verstehen, wie es dazu kommen konnte. Wenn einer dreimal „Arschloch“ gesagt hat und Jörg Dahlmann hat es dreimal aufgedeckt, dann hält man nun eben die Hand davor….
Aber manchmal sind es ja ganz normale Geschichten, selbst wenn der Messi sich nach dem Spiel unterhält. Das wird doch nichts Dramatisches sein oder nichts Philosophisches…wo ist das Schlimme daran? Ich verstehe es nicht.

Andere Frage. Kennst du unsere FUMS-Arbeitsnachweise eigentlich?
Ja, klar. Die schaue ich mir an. Auch die von den Kollegen, bin da köstlich amüsiert immer.

Die unter den Arbeitsnachweisen stehenden Kommentare, wie sieht’s damit aus?
Die lese ich auch. Damit kann ich aber gut leben. Wenn Kommentare kommen, die negativ sind, damit kann ich leben. Ich bin selbstkritisch, habe selbst auch eine eigene Meinung und weiß selbst, wenn mal eine Sache kein Volltreffer war.

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Wir scannen das in der Regel auch sehr genau. Da ist normalerweise mehr negatives Feedback drunter als Positives, aber es gibt auch Momente, in denen das anders ist. Beim Spiel des BVB in Nikosia, CL-Gruppenphase beispielsweise, da hast du ein sehr schlechtes Spiel komplett zerredet und man hatte fast das Gefühl, du bist da persönlich beleidigt, dass das Spiel so schlecht ist….
Ja, das sollte nicht sein eigentlich, aber ich war einfach enttäuscht. Das wurde immer schlimmer. Und gipfelte dann in dem Aussetzer von Roman Bürki.

Genau. Und am Ende schreiben User unter den Arbeitsnachweis bei uns: „Eigentlich mag ich den gar nicht, aber dieses Spiel hätte ich vermutlich genauso kommentiert.“
Gut, das hat der eine oder andere Dortmund-Fan sicherlich anders gesehen.

Schöne andere Nummer war dein Einsatz bei Donezk vs. AS Rom, wo du aus Roma-Keeper Alisson Becker einfach Bobbele gemacht hast und plötzlich von „Becker-Faust“ gesprochen hast. Am Ende war es sogar „der neue Titan“, der Oli Kahn abgelöst hat…
Ja, sowas kannst du nicht vorbereiten. Das kommt spontan. Manchmal ist man einfach drauf und kommt selbst so in Fahrt, in Wallung. Und dann steigert man sich.

Musst du dich manchmal bremsen?
Ich glaube, da müssten wir zwei Punkte über das U tun.

Ich müsste mich manchmal vielleicht ein wenig bremsen.

Aber ich lass dann einfach den Dingen freien Lauf. Die emotionalste Reportage, die ich hatte, war Karlsruhe gegen Valencia. UEFA-Pokal vor 20 Jahren gefühlt. Da war Valencia Tabellenführer in Spanien, Karlsruhe Hinspiel 1:3 verloren, eigentlich keine Chance mehr gehabt. Und dann spielen die sich gegen Valencia in einen Rausch. Euro-Eddie. Vier Tore erzielt. In diesem Spiel bin ich aufgestanden und war ein Fan. Da hat kein Fan kommentiert. Ich habe das nicht mehr eingeordnet, sondern in diesem Wahnsinn, der da in Karlsruhe herrschte, da war ich auf einem anderen Stern. Für mich gehört das dazu.

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