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Christina Graf: Natürlich gibt es Nachrichten per Instagram, wo du sagst: Das verkackt mir jetzt mal richtig den Tag

Sky hätte gerne weiter mit dir planen wollen…
Mein Vertrag ging noch drei Jahre. Es gab auch nicht den einen Grund, warum ich dort gegangen bin. Ich habe mir länger darüber Gedanken gemacht und am Ende wusste ich: Ich möchte anders leben.

Um das Thema Druck aufzugreifen: Wo empfindest oder empfandst du mehr Druck als vielleicht deine männlichen Kollegen? Was sind das für Gedanken, die du dir da machst?
Gefühlt denkt man ja schon, dass jeder Mann denkt: Die hat ja keine Ahnung. Man muss sich noch mehr beweisen, dass man auch wirklich Ahnung hat. Jeder Fehler, den du irgendwo machst, wird drei- oder vierfach bestraft. Ich habe damals beispielsweise mal einen falschen Vornamen genannt, das wird dir dann schon öfter vorgehalten als wenn sich beispielsweise ein Mann mal verspricht. Das sind so Kleinigkeiten und mir macht das generell auch nichts. Ich kann mit diesem Männer-Frauen-Ding nichts anfangen.

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Dass Frauen im Sport denken, sie müssten sich stärker beweisen, scheint weit verbreitet. In diesem Kontext müssen wir auch über Optik und Outfits sprechen. Gerade mit Blick auf den Vergleich Öffentlich-Rechtliche versus Private lassen sich teilweise schon gravierende Unterschiede feststellen, wenn man vor allem auf die Moderatorinnen schaut. Provokanter: Warum lassen sich Frauen überhaupt in gelbe Deadline-Day-Kleider stecken, während die männlichen Kollegen maximal eine gelbe Fliege tragen müssen und es dort der stinknormale, dunkle Anzug tut?

Da muss ich aufpassen, dass ich mich nicht um Kopf und Kragen rede. Ich bin, was Optik betrifft, eigentlich völlig raus. Das Spiel spiele ich nicht mit, ich war davon aber auch nie betroffen. Bei und mit mir gibt es aber auch vielleicht nicht alle Möglichkeiten. Also entweder so – oder gar nicht. Es ist nicht so, dass man nicht über bestimmte Dinge auch reden kann.

Ich bin in der Regel ins Stadion gegangen, habe mich zehn Minuten vor den Interviews selbst geschminkt, Interviews geführt und dann bin ich wieder gegangen. Alles andere ist einfach nicht meine Welt.

Natürlich kommt dann danach nicht dieses Feedback: Wow. Aber das will ich auch gar nicht haben. Ich verbinde das aber auch nicht mit dem Sport. Sport ist für mich Fußball, Tennis, Skifahren oder was auch immer. Ich möchte ein gutes Fußballspiel sehen und wenn Ronaldo scheiße spielt, dann finde ich das auch scheiße. Es geht nicht darum, mich zu präsentieren, sondern darum, den Menschen den Sport näher zu bringen.

Burkhard Weber (Sky-Chef bis 2018, Anm. d. Red.) könnte man bei Sky ein wenig als deinen Förderer bezeichnen. Hätte er dich damals verstärkt im Studio vor der Kamera sehen wollen, du dich dafür aber einem gewissen Dresscode hättest unterordnen müssen, dann….?
…wäre Schluss gewesen. Er wusste aber auch, dass das mit mir nicht geht. Er wollte mich nicht verändern.

Eine Art optische Evolution ist aber durchaus erkennbar, wenn man – unabhängig von Sky – schaut, wie aus einer Fieldreporterin irgendwann eine Studiomoderatorin wird.
Vielleicht bin ich deswegen auch ein Sportschau-Kind. Manchmal habe ich das Gefühl, ich komme aus einer anderen Welt.

Humor spielt zunehmend eine Rolle im Sportjournalismus, alle wollen lustig sein. Eine Entwicklung, die wir verstärkt auch bei Kolleginnen und Kollegen beobachten…
Das ist schwierig. Bei mir gab es ja nur einen Spruch, der mal lustig war beim Spiel Sandhausen gegen Bielefeld (April 2016, Anm. d. Red.).

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Wir erinnern uns. Und genau an solchen Sprüchen und der daraus resultierenden Öffentlichkeit hängen doch unzählige Dinge dran: Mehr Aufmerksamkeit bis hin zu Entscheidungen eines Senders, der letztlich den Sprücheklopfer aufs Topspiel ansetzt und nicht den ruhigeren Reporter… 
Ja, bei Fritz (von Thurn und Taxis, Anm. d. Red.) fand ich es richtig gut, weil ihr ihm noch einmal einen großen Hype zum Karriereende verschafft habt. Für mich persönlich kann ich sagen: Eigentlich finde ich es besser, niemand redet über mich.

Interessante Aussage für jemanden, der in der Medienbranche arbeitet. Heißt: Bei Christina Graf sollen die Zuschauer einschalten, weil sie den Sport sehen wollen, während vielleicht bei Buschmann, Fuss oder Dahlmann auch Fans einschalten, weil sie eben Buschi, Fuss oder Dahlmann hören wollen….?
Ja. Das ist eine Frage des Stils. Ich finde es völlig legitim, wenn andere ihre Sparte entwickeln. Gefühlt bin ich immer noch eine Sportlerin (Profifußballerin bis 2011 u.a. beim SC 07 Bad Neuenahr, Anm. d. Red.), vielleicht gehen Sportler das Thema einfach auch ein bisschen anders an. Wenn du irgendwo neu anfängst, schaust du ja auch: Wen von den neuen Kollegen findest du eigentlich gut, wer macht was gut, was entspricht dir am ehesten? Da kommt man auf ganz unterschiedliche Dinge. Ich kann mir wunderbar ein Spiel mit Wolff Fuss anhören, aber genauso gut auch mit Michael Born oder Roland Evers.

Du sprichst deine Vergangenheit als aktive Sportlerin selbst an – erzähl uns etwas über deine Zeit als aktive Profispielerin.
Ich weine immer noch, dass ich verletzungsbedingt aufhören musste. Skifahren und Golfen geht aber noch. Ansonsten sind die Vereine, bei denen ich war, leider alle nicht mehr da…

Da lässt sich ein gewisses Muster erkennen: Überall, wo die Graf war, musste man anschließend Insolvenz anmelden…
Genau. Ich wollte immer zu viel Geld (lacht). Nein, also ich habe mir damals immer die Vereine ausgesucht, die ich auch jetzt noch am liebsten mag.

Thema Frauen-Bundesliga – wie blickst du auf die öffentliche Wahrnehmung, die Akzeptanz und den Stellenwert, den die höchste Spielklasse der Frauen im Fußball hat? Da herrscht ein großes Ungleichgewicht im Vergleich zum Männerfußball, wie erklärst du dir das?
Ich bin schon gut darin, manche Dinge einfach zu nehmen, wie sie sind. Ich kann vieles akzeptieren und ein Stück weit auch verstehen. Wenn es um Dinge geht wie „Wir wollen so verdienen, wie die Männer“, dann denke ich mir: Das muss man auch erstmal generieren. Wenn niemand ins Stadion geht, wirst du auch nicht viel Geld verdienen. Ich glaube schon, dass sich das entwickeln kann, aber die Zahlen sind leider etwas rückläufig. In Amerika wird das ganz anders gefördert. Da ist es toll, dass Mädchen und Frauen Fußball spielen. Das war bei uns lange nicht so.


Haben Medien die Power, das nicht auch zu beeinflussen, zu ändern und mit positivem Beispiel voran zu gehen?

Der Vergleich Männer- und Frauenfußball ist einfach falsch. Natürlich ist unser Auge darauf geschult, Männerfußball zu schauen, da ist die Geschwindigkeit eine andere. Frauenfußball kann dementsprechend gar nicht so attraktiv sein, ist aber schon deutlich athletischer und schneller geworden als früher. Die Liga ist aber auch nicht so spannend und so ausgeglichen. In England muss jeder Lizenzverein auch eine Frauenfußballmannschaft haben, da wird das anders gefördert. Da könnte man jetzt sagen: Das machen wir hier in Deutschland auch.

Sind wir mal ehrlich: Nicht jeder Bundesligist hat Bock auf Frauenfußball. Die machen das alle so, wie sie gerade lustig sind.

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