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Jürgen Klinsmann ging es nur um sich – und nicht um die Hertha

Jürgen Klinsmann OUT! Nach nur 10 Wochen nimmt der Trainer der Hertha selbst seinen Hut und kommt damit vielleicht den Vereinsbossen zuvor, die sich – so übereinstimmende Medienberichte – nicht länger internen Machtkämpfen um Kohle und Posten mit Klinsmann ausgesetzt sehen wollten. Ein Trauerspiel. Für FUMS NEWS HD live vor Ort im Epizentrum der guten Laune: Marc Schwitzky.


Wisst ihr noch – die Spiele vor der Winterpause? In den letzten fünf Spielen vor Jahresende holte die Mannschaft unter ihm sehr solide acht Punkte. Doch in den bisher vier gespielten Partien 2020 nur vier Zähler, zusätzlich das Pokal-Aus auf Schalke. Klar, die 1:3-Heimniederlage gegen Mainz 05 war enttäuschend. Doch all das konnte doch nicht diesen plötzlichen Rücktritt erklären. Oder? Schließlich präsentierte sich Klinsmann zuletzt noch  gewohnt positiv und beteuerte in seinen fast schon Kult gewordenen Facebook-Live-Sessions die gute Entwicklung der Mannschaft. „Die nächsten Spiele werden nicht einfach, aber wir sind insgesamt auf dem richtigen Weg und guter Dinge, dass wir noch mehr Punkte einfahren werden“, so seine Prognose noch am Vortag. In erster Linie zeigten sich hier im Social Web diese typischen Klini-Assets: Gute Laune verbreiten, optimistisch und zuversichtlich sein. Zu jenem Zeitpunkt, als er an besagtem Montag in seinen Laptop grinste, stand seine Rücktrittsentscheidung aber schon fest. „Aaand the Oscars goooeees tooo …“

In erster Linie wurde der Verein selbst überrascht und ob dieser Entscheidung lange im Dunkeln gelassen. Klinsmann verkündete sein Ende als Cheftrainer eigenmächtig auf Facebook und ließ den Hertha-Verantwortlichen keine Chance, die Sache einigermaßen souverän über die Bühne zu bringen. „Wir sind von dieser Entwicklung am Morgen überrascht worden. Insbesondere nach der vertrauensvollen Zusammenarbeit hinsichtlich der Personalentscheidungen, in der für Hertha BSC intensiven Wintertransferperiode gab es dafür keinerlei Anzeichen“, erklärte Geschäftsführer Sport Michael Preetz ein paar Stunden nach dem Facebook-Beitrag Klinsmanns. Bis dahin ist Klinsmann also schlechter Stil und dem Verein größeres Chaos zu attestieren. Besonders, wenn man erfährt, dass Investor Lars Windhorst bereits Montagabend von Klinsmann über dessen Entscheidung informiert wurde und dieser es obendrein offenbar nicht für nötig hielt, selbst den Hörer in Hand zu nehmen, um den Klub zu informieren. Doch sollte das alles fast nur die Spitze Eisbergs sein, auf den die „Alte Dame“ zusteuert. Denn wie mittlerweile klar ist: das Klinsmann-Aus resultierte aus einem scharfen Machtkampf.

Klinsmann wollte Teammanager werden – und mehr Geld

Wie mehrere Medien berichten und Klinsmann mittlerweile in einem fragwürdigen Bild-Interview bestätigt hat, soll er für die kommende Saison geplant haben, zum in England bereits etablierten Job des „Teammanagers“ aufzusteigen. Sprich weiterhin Cheftrainer der Hertha zu sein, nur mit mehr Kompetenzen. Herthas Zukunft gestalten, mehr Aufgaben (von Preetz) übernehmen, mehr Kohle verdienen. Geil. Wenn da nicht Preetz und die offenbar irrsinnigen Gehaltsforderungen gewesen wären. Preetz und Präsident Gegenbauer verwiesen auf die aktuelle sportliche Situation und sprachen ein Machtwort, was letztlich zu Klinsmanns Entscheidung führte, die Hertha – so deutlich muss man es sagen – im Stich zu lassen.

„Die Anhänger, die Spieler und die Mitarbeiter sind mir in dieser Zeit natürlich ans Herz gewachsen und deshalb werde ich weiter mit der Hertha fiebern“, heißt es in seiner Rücktrittserklärung. Nein, Jürgen, hier ging es dir nur um dich. Du hast dich daran berauscht, doch noch einmal Trainer eines Bundesligisten sein zu dürfen, nachdem dein Ruf durch das Bayern-Intermezzo so gelitten hatte. Du hattest die große Bühne vermisst, wolltest deinen Namen über dem „spannendsten Projekt Europas“ stehen sehen und als großer Macher glänzen, der den schlafenden Riesen aus Berlin emporsteigen ließ. Hertha war Mittel zum Zweck, um deinen Namen im deutschen Fußball reinzuwaschen.

Keine Zeit für Widerworte

„Wenn ich etwas übernehme, mache ich das nicht halb“, hieß es noch bei Klinsis Amtsantritt im November. Klassenerhalt, Europa, Weltherrschaft. Alle Fans wussten: Das ist absurd, aber irgendwie war es auch absurd schön, so dass sich viele mit dem neuen Cheftrainer in die Traumtänzerei begaben. Mit Klinsmann schien ein neues Zeitalter angebrochen. Endlich einer, der den Klub aus seinem Schönheitsschlaf geweckt und alte Strukturen aufgebrochen hatte. Endlich passierte etwas im Verein. Der Sommermärchen-Macher wusste um sein Charisma. Und jetzt? Kein Klinsi, kein Charisma, kein Europa. Stattdessen fühlt es sich so an, als wenn einem der Teller Spaghetti Bolognese, auf die man sich riesig gefreut hatte, runtergefallen ist und man versteinert auf seinen Küchenboden voller Scherben und verteiltem Essen blickt, weil man nicht weiß, wo man überhaupt anfangen soll.

Was bleibt? Klinsmann hat in seiner Zeit als Cheftrainer etliche (verdiente) Spieler wie Salomon Kalou und Ondrej Duda vom Hof gejagt, weil sie angeblich nicht sein Konzept gepasst haben sollen. Etliche Räumlichkeiten des Vereinsgeländes wurden nach seinen Vorstellungen umgestaltet. Zudem wurden 75 (!) Millionen Euro im Winter für Neuzugänge ausgegeben, die allesamt angaben, auch wegen Klinsmann nach Berlin gewechselt zu sein. Sieben Spieler sind weg, vier neue da. Keine Taktik, kaum Talent. Was klingt, wie die Subline eines erfolgreichen FUMS-Podcasts, ist in Wahrheit der Berliner Scherbenhaufen nach der Ära JK. Der Enkeltrick bei der alten Berliner Dame hat nicht geklappt.


Von Marc Schwitzky
(Ha Ho He, Anm. d. Red.)