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Kommentar: Ich vermisse Fußball nicht so sehr, wie ich dachte

Corona-Quarantäne, Shutdown, keine Großveranstaltungen, kein Fußball. Das alles gleicht dem sprichwörtlichen Wahnsinn in Tüten. Könnt ihr glauben, dass wir uns bereits seit acht – in weit auseinander geschriebenen Großbuchstaben: A  C  H  T – Wochen im Krisenmodus befinden? Unser FUMS-Krisenstabsleiter Cord Sauer auch nicht. Der Fußball und vor allem die große Vermissung ist dabei für ihn allerdings längst in den Hintergrund gerückt. Komisch, dabei hat er hat den Laden hier einst gegründet, weil Fußball ja angeblich sooo viel Spaß macht. Wie also kann es sein, dass einem Fußballfreak der Fußball nicht fehlt? Ursachenforschung.


Ich traue mich kaum, es auszusprechen, aber: Ich vermisse den Fußball nicht so sehr, wie ich dachte. Und das wundert mich selbst, denn eigentlich gibt es nichts Besseres, als sich aufs nächste Spiel seiner Mannschaft zu freuen. Das hieß für mich zuletzt: Ab Montag dem Wochenende entgegenfiebern. Das hieß für viele andere Fans, deren Teams europäisch spielen, aber mitunter auch: Sich am Montag auf Dienstag oder Mittwoch oder Donnerstag freuen. Die Taktung der Fußballspiele ist ein eigenes Thema und bringt viel Positives mit sich. Aber eben nicht nur. Ich war übersättigt zuletzt, konnte nicht mehr alles gucken.

Die Corona-Krise, die Mitte März so richtig Fahrt aufnahm und zur Unterbrechung der Bundesliga führte? Ein Schock. Ein nicht für möglich gehaltenes Szenario. Die Bundesliga ist in Deutschland die heilige Kuh. „Spielbetrieb, dein Wille geschehe. Wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Spiel gib uns heute.“ Das erste Wochenende komplett ohne Fußball? Seltsam. Aber irgendwie fand man ein Alternativprogramm. Weniger spaßig, weniger Seelenbalsam – aber immerhin war die Bude mal wieder sauber.

Bundesliga-Unterbrechung: Und noch eine Woche und noch eine Woche und noch eine Woche

Relativ schnell zeichnete sich ab, dass die Kugel nicht mehr so schnell rollen würde. Und während Retrogames, Insta Live-Interviews und Klub-Specials als eine Art Ersatzdroge funktionieren sollten, merkte ich schnell, dass es auch Vorzüge hat, nicht Woche für Woche auf das nächste Spiel zu warten. Irgendwie. Mein Lebensalltag erfuhr trotz medialer Getriebenheit und der Suche & Sucht nach dem sportlichen Battle eine spürbare Entschleunigung. Plötzlich war da kein Ereignis – sorry, plötzlich waren da keine neun bis 20 Ereignisse bzw. Spiele mehr, die mir meine Woche vordiktierten. Die mir Zeiten und Termine im Kalender blockten, an denen weder Familienleben noch Sport oder sonstige Freizeitaktivitäten stattfinden konnten. Ich kann nicht behaupten, mehr Zeit durch fehlende Bundesligaspiele zu haben – aber Zeit wird anders genutzt. Sinnvoller?

Das mag und kann ich nicht beantworten. Sinnvoll ist, was Spaß macht. Fußball macht Spaß. Nach wie vor. Aber als jemand, der gefühlt zwei Dekaden in diesem Tunnel, in dieser Bundesliga-Bubble gefangen war und sein Leben nicht zuletzt auch beruflich bedingt zu einem Großteil nach den Spielen ausgerichtet hat, verspüre ich im Frühjahr 2020 eine Art Leichtigkeit. Fußball-Detox. Entschleunigung. Tut seltsamerweise gut und ich kann auf einmal Menschen verstehen, die mit Fußball so gar nichts am Hut haben. Menschen, die ihr komplettes Leben anders gestalten und ihre Wochenenden und Europapokalabende anders nutzen. Für mich nach wie vor das Salz in der Suppe, aber das Eintauchen in diese Parallelwelt war jetzt – beziehungsweise ist noch immer – nicht so schlecht, wie ich dachte.


Von Cord Sauer
(steigt die Quarantäne offenbar zu Kopf, Nachfolger gesucht! DRINGEND!, Anm. d. Red.)