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Uli Hoeneß auf dem Abstell-Gleis

Es gibt Leute, die bauen sich selbst ein Denkmal. Und dann gibt es welche, die bringen es dann auch noch selbst zum Einsturz. Uli Hoeneß hat sich in München einen Koloss von sich selbst zementiert und steht gerade mit Hammer, Meißel und Presslufthammer davor, um sich selbst zu demontieren. Spätestens seit der wilden Boykott-Drohung gegen den DFB – (Bevor ter Stegen Neuer ablöst, „werden wir keine Spieler mehr abstellen“) – ist Uli auf dem Abstell-Gleis gelandet und muss dringend in Rente, findet unsere FUMS-Zugmaschine Thomas Poppe.


Das erste Mal traf ich Uli Hoeneß, da war ich 11 oder 12 Jahre alt. Ich stand mit meinem besten Kumpel am Ehrengäste-Eingang vor dem Olympiastadion in München und hoffte, ein paar Autogramme von Promis zu ergattern. Dann kam Hoeneß. Nahm sich Zeit, schrieb jedem sein Autogramm, holte am Ende ein Bündel Eintrittskarten aus der Jackentasche und drückte es ein paar Jungs in meinem Alter in die Hand, denen man ansah, dass das sonst keine bezahlbare Option gewesen wäre. Im Vorbeigehen hatte er einen kleinen Schulbus voller Kids happy gemacht und er tat es auch beim nächsten Mal, als wir dort standen und er schon lange vor Anpfiff anfuhr.

2000 kam dann die Sache mit Christoph Daum. Und Uli redete über den „verschnupften“ Typen, der Nationaltrainer werden sollte, als man „Keine Macht den Drogen“ auf dem Trainingsanzug stehen hatte. Spätestens, als Daum die Haarprobe abgab, war Hoeneß für mich im Arsch. Macht doch keiner, wenn er ein „absolut reines Gewissen“ hat. Als das Ergebnis da war, wurde Uli Hoeneß mit Applaus beim Bayern-Spiel auf dem Bökelberg empfangen. In Gladbach, beim Erzfeind. Da war für mich klar: Für Aussagen von Hoeneß kann man die Hand ins Feuer legen. Und ohnehin. Der Ulrich, der 1982 als einziger Passagier eine Flugzeugabsturz überlebte, was sollte den klein bekommen?

Fußball-Bundesliga: Come back stronger, Uli Hoeneß!

Das große Herz hinter dem Lautsprecher Hoeneß, der auch mal den eigenen Fans vorwarf „für ihre Scheißstimmung“ selbst verantwortlich zu sein, wurde oft genug thematisiert. Retterspiele für dutzende Traditionsklubs, Geldleihen an die Konkurrenz und eben diese Bayern-Familie, die sich um gefallene Ex-Profis wie Jürgen Wegmann kümmerte oder Spieler wie Sammy Kuffour auffing, als seine Tochter 2003 in Ghana ertrunken war. Die Konsequenz aus allem war dieses MiaSanMia, dieses „Jaja, hasst doch den FCB, hasst doch den Uli, wir wissen es besser!“ Das hielt lange. Sehr lange. Auch, als die Steueraffäre kam und Hoeneß in den Knast ging. Dass Uli eine Come-back-stronger-Nummer daraus machen würde, war klar. Machte er aber nicht. Damals, als er raus kam, wäre er da gewesen. Der perfekte Moment für die Rente und seither steht er da und hämmert gegen das Denkmal, den Meißel immer weniger in der Hand, weil da ja schon der Presslufthammer ist.

Uli Hoeneß war immer der Joe Gerner des Fußballs. Gefühlt 100 Jahre dabei, kontrovers, nicht wegzudenken und für ganz viele der perfekte Bösewicht. Aber Gute Zeiten gibt’s kaum noch. Der Lautsprecher ist laut geblieben, aber die Worte sind immer häufiger heiße Luft. „Wenn Sie wüssten, was wir schon sicher alles haben!“ – da war ich überzeugt, dass da in zwei Wochen drei Weltstars auflaufen. Coutinho kam dann noch, klar – aber damals war es einfach nur sinnloses Gewäsche auf Verdacht. Die Pressekonferenz mit „Huan“ Bernats Demütigung, der ja so „einen Scheißdreck gespielt“ hat und jetzt seit zwei Jahren starke Leistung in Paris bringt und die öffentliche Aufforderung an Jerome Boateng, den Verein zu verlassen. Öffentliche Arschtritte für verdiente Spieler – früher undenkbar.

Uli Hoeneß wie Opa am Steuer: Der Albtraum einer jeden Familie

Jaja, Uli Hoeneß hat auch früher schon Dinger gedreht. Dass der Lodda nicht mal Greenkeeper in München wird und dass der Hellmut Krug „nie wieder ein den FC Bayern pfeifen wird“ und dann ein halbes Jahr später doch pfiff. In seinen Wortschlachten gegen Werder-Manager Willi Lemke war er auch immer wieder mal Verlierer nach Punkten. Aber das, was die letzten Monate passiert, ist anders. Uli ist zum Opa geworden, der nicht mehr Auto fahren sollte und es selbst nicht einsehen will. Der Albtraum jeder Familie und keiner will es ihm sagen. Spätestens seit seiner Drohung, dass der FCB keine Spieler mehr an die Nationalmannschaft abstellt, wenn ter Stegen die neue Nummer 1 wird, ist es Zeit, den Führerschein abzugeben. Wo man früher fast schon auf die nächste Hoeneß-Watschn hoffte, ist man heute froh, wenn wieder ein Tag ohne schreckliches Zitat vorbei ist.

Uli steht wie Greta vor der UN und ruft Jogi „How dare you“ zu. Nur, dass Greta gute Argumente hat. Was kommt als nächstes? Luft anhalten, bis Leipzig die Tabellenführung abgibt? Damit drohen, 10.000 SUV mit laufendem Motor vor Kindergärten zu parken, wenn Sané nicht kommt? Wo man einst „Keep calm and wait for Uli“ dachte, ist heute nur noch ein „Bitte sag einfach gar nix!“ übrig.

Es ist egal, ob Hoeneß bald seine Ämter abgibt. Ich habe sogar noch mehr Angst vor der Zeit danach. Wenn er gelangweilt vom Ruhestand jeden zweiten Sonntag mit Reif und Daum im Doppelpass sitzt und im Sportstudio zum Polter-Abend vorbei schaut. Es ist egal, was auf der Visitenkarte von Hoeneß steht. Er ist der FC Bayern. Was er sagt, hat der FC Bayern gesagt. Was er sagt, hat für den FC Bayern Konsequenzen. Was er sagt, ist Futter für Fußball-Deutschland. Ich habe keinen Hass auf Hoeneß. Für mich ist er weiter der Typ, der den Kids die Freikarten schenkt, der beim Benefizspiel unangemeldet auftaucht und sich selbst an den Würstchengrill stellt, der Macher, der Motzki mit Macken, der aber immer die Kurve bekommen hat. Das Denkmal. Lieber Ulrich, leg den Presslufthammer weg, berate deinen Verein im Hintergrund. Gönn dir Ruhestand. Kauf dir mal ein iPad, wage dich mal in dieses Internet, scoute Spieler auf Youtube, komm zu den Heimspielen, verhilf Kahn zu einem guten Start beim FC Bayern. Aber bitte, bitte, bitte: Halt ab sofort den Mund.


Von Thomas Poppe
(kriegt zu Weihnachten ein iPad, Anm. d. Red.)