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Uli und Joachim Hebel: „In den Kommentarspalten schaust du immer auch in die Hölle.“

Manchester verliert gegen Tottenham 1:6, aber steht direkt mit an der Spitze, Liverpool bekommt sieben Stück als Meister und jetzt wieder Tabellenführer. So verrückt hat man das selten gesehen…

Uli: Ja, das ist natürlich ein europaweites Phänomen mit den Freak-Ergebnissen. Wir haben damals versucht, Liverpool gegen Villa zu erklären, aber das ist nicht möglich. Das gab es in anderen Ligen, aber nie in England. Das tut aber wahnsinnig gut. Ich mag, wenn die Welt brennt und die Welt hat in dieser Saison schon so oft gebrannt in der Premiere League in der Saison. Die letzten Jahre war es auch spannend, da war halt die Frage: Wer wird mit 40 Punkten Vorsprung Meister? Liverpool oder City? Aber das hat natürlich eine andere Dimension im Moment.

Für viele ist es eine Überraschung, dass Jose Mourinho bei Tottenham noch mal so gut funktioniert…
Joachim: Der kam mir immer ein wenig zu schlecht weg. Bei Niederlagen haut er halt gerne einen raus, um sich vor die Mannschaft zu stellen. Aber das ist alles bewusst gewesen. Wenn es ihm zu viel wurde, wurde es ihm zu viel und dann hat er auch manchmal überzogen reagiert. Aber was mir nicht gefallen hat: Dass er immer so schlecht weg kam. Er war eine Zeit lang das Symbol für ‚Den mögen wir nicht – alles Anti!‘ Natürlich kann man über die aktuelle Situation streiten, ob das schön anzusehen ist oder nicht. Fakt ist: Man muss wissen, wo er her kommt. Die Entwicklung bei Tottenham ging – das haben viele von außen nicht gesehen, aber die im Verein noch viel weniger – bergab, weil sie einige Sachen übersehen haben. Dann hast du ein Stadion für über eine Milliarde hingestellt, was sich auf dein Transferbudget auswirkt. Jetzt kommt Mourinho und der sagt natürlich nicht ‚Jetzt bauen wir dreizehn 19-Jährige ein!‘ Der sagt ‚Ich will jetzt gewinnen, denn ich bin Mourinho!‘ und das macht er auf seine Weise. Er holt sich Spieler, die in der Liga schon funktioniert haben – logischerweise auch nicht die, die mit einem Übersteiger am Fuß geboren sind, sondern auch mal eine Grätsche auspacken – und spielt mit der Mannschaft so, dass er Erfolg haben kann. Ganz einfach. Das erleben wir im Moment. Ich habe den nie so negativ gesehen, weil er ein absoluter Fußball-Fachmann ist. Und jetzt hat die Welt durch diese Amazon-Doku auch noch gesehen, dass er eigentlich ein cooler Typ ist.

Über den Special One lässt sich ganz gut der Bogen zum Normal One spannen. Wie ordnet ihr die Arbeit von Jürgen Klopp ein und hat er am Ende den Welttrainer-Titel doch zurecht bekommen?
Uli: Die Entscheidung Welttrainer ist natürlich albern, bei aller Liebe. Was man ihm lassen muss, ist nicht nur seine Arbeit. Das ist die ganze Fenway Sportsgroup, angefangen beim Invest, über den Kaderplaner, den Chef-Verhandler, den Sportdirektor Edwards, Klopp, Trainerteam, aber auch die Spieler. Da passt einfach unheimlich viel gut zusammen, das ist ein alles übergreifender Plan, der gut greift und einem, der davor steht und unheimlich charismatisch ist und die richtigen Dinge von Cheerleader und Fußballtrainer vereint. Der hat eine Mannschaft gebastelt, die seinen Ansprüchen genügt und in einem ziemlich guten Altersmix ist. Das heißt auch: In zwei Jahren wird man anders darüber sprechen. Die sind aber auch charakterlich so gut angelegt, dass ich nie Angst hatte, dass die jetzt abstürzen. Sowas wie Dortmund – da hat Klopp draus gelernt. Kurzum: Stilprägend in England, zu Recht sehr beliebt. Als Trainer so ziemlich über jeden Zweifel erhaben. Ich mag nicht immer jedes Interview, dass er gibt – muss ich aber auch nicht – und es ist eine ganz große Leistung, diesen Meistertitel gewonnen zu haben. Das ist für uns nicht fassbar, was es den Menschen bedeutet – insbesondere in dieser Zeit. Da werden wir noch lange versuchen das zu erklären.

Joachim: Man muss sich mal überlegen: Er hat es mit Mainz geschafft, in die erste Liga aufzusteigen und daraus eine gute Mannschaft zu machen. Das ist schon mal aller Ehren wert. Dann geht er zu Dortmund, macht aus einem Team, welches vor dem Nichts stand, ein kleines Bayern 2.0. Und dann geht er zu Liverpool, die wirklich drohten, aus dieser Big 6 herauszuhüpfen und macht aus denen einen Champions League Sieger und nach 30 Jahren wieder einen Meister. Wenn mir dann jemand sagt ‚Das ist kein guter Trainer‘, dann reden wir über eine andere Sportart. Das ist einer der besten Trainer, die wir seit Ewigkeiten gesehen haben. Wenn du Alex Ferguson bist und bist 30 Jahren bei einem Verein ganz oben, dann machst du vielleicht 15 Meisterschaften. Wenn du aber den Weg über Mainz, Dortmund und Liverpool machst, dann kannst du nicht 15 Meisterschaften sammeln, außer du wirst 97. Es auf allen Ebenen bewiesen zu haben, ist glaube ich noch viel mehr wert.

Mit Leeds gab es jetzt eine tolle Comeback-Story. Gibt es ein Team, dass ihr gerade noch in der Liga vermisst und eines, welches auf keine Fall runter gehen sollte?
Joachim: Wirklich traurig war ich bei Brentford, als die nicht aufgestiegen sind. Uli und ich waren im Februar dort in diesem alten, tollen Stadion. Das ist ein tolles Konstrukt: Jung, dynamisch, nicht die großen Gehälter, aber über gutes Scouting holen sie immer wieder Typen, die andere vergessen haben und genau da rein passen. Das ist wirklich beeindruckend. Beim Abstieg will ich natürlich nicht, dass Leeds wieder absteigt. Ich will aber auch nicht, dass Fulham wieder absteigt und Arsenal soll auch drin bleiben (lacht).

Uli: Cool wäre, wenn Birmingham aufsteigt. Dann hast du das Second-City-Derby in der zweitgrößten Stadt in England. Und klar, die offensichtliche Antwort: Der FC Sunderland gehört in die Premiere League. Ich glaube, dass es wenige Orte gibt – weltweit – wo Fußball so gelebt wird, wie an der Tyneside, wo es auch gegen Newcastle wieder ein Derby gäbe.

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Gebt doch bitte noch eine Einschätzung zu den deutschen Kickern in England ab – es sind ja doch einige…
Uli: Dass Pascal Groß noch Premiere League Status hat, ist für einige vielleicht auf den ersten Blick überraschend, aber eben auch nur auf den ersten Blick. Das ist einer, der schon über gewisse Qualitäten verfügt und er genießt auch einen guten Ruf. Das ist jetzt alles nicht mehr so, wie es mal war mit einem neuen Trainer und es wird vielleicht auch mal eng für ihn. Allgemein ist es schön, dass in dieser Liga jetzt auch mal wieder viele Deutsche gefragt sind. Özil wird es bald und irgendwie auch hoffentlich – im Sinne dieses Fußballers und meines Twitter-Feeds, denn das ist ja kaum auszuhalten, wie er sich im Moment profilieren möchte – hinter sich haben. Positiv wie negativ gibt es keine großen Ausfälle. Die Chelsea-Jungs werden noch ein wenig brauchen, das ist aber nicht sehr verwunderlich. Rüdiger ist ein Abgangskandidat, weil er nicht zum Zug kommt und er sich mit Blick auf die EM zumindest mal ausleihen lassen muss, damit er ein halbes Jahr Spielpraxis bekommt.

Joachim: Mich freut sehr, dass Ilkay Gündogan eine kleine Renaissance erlebt. Er ist sehr wichtig für diese Mannschaft, seit David Silva weg ist und er sich mehr das Taktgeber-Ding nimmt. Grundsätzlich ist es so, dass es mich sehr freut, dass ein Robin Koch den Schritt nach Leeds wagt, was vielleicht im ersten Moment nicht recht viel größer ist als Freiburg, im zweiten Moment aber doppelt so groß. Aber das ist ein Aufsteiger in der Premiere League und dass da jemand hin geht und sagt ‚Ich will diesen Weg machen unter Bielsa‘ das freut mich. Das kann man dann auch ummünzen auf Chelsea, dass Havertz und Werner wirklich diesen Schritt wagen und nicht sagen ‚Ich gehe zu Real Madrid oder Barcelona‘, sondern dass diese Liga auch den Leuten Spaß macht. Wohlwissend auch, dass es eine andere Liga ist. Das ist ganz normal, wenn du den Fußball in Deutschland gewohnt bist. Eher abwartend, eher taktisch, eher strategisch gedacht und dann hast du an einem Montagabend, wenn es regnet Crystal Palace vor der Nase und die drücken dir 15 Mal auf die Schuhe – das ist etwas anderes. Das müssen die irgendwann wissen und da werden sie Wege finden.

Uli: Es gibt auch noch ein paar in der zweiten Liga und das ist fast noch spannender. Ein Christopher Schindler, der noch bei Huddersfield herumturnt und da eine Führungsfigur ist. Patrick Bauer, den wahrscheinlich kaum einer auf dem Schirm hat und der seit einem Jahr der beste Kopfballspieler ist da. Lewis Holtby spielt noch, Robert Glatzel spielt bei Cardiff – also da gibt es ein paar interessante Jungs. Das ist – zumindest für mich – ein schöner Trend, dass immer mehr physische Ligaspieler und auch Trainer aus Deutschland und Österreich den Weg in die Championship suchen und auch da die Liga aufwerten.

Letzte Frage: Wer wird Meister?
Uli: Manchester City.
Joachim: Niemals Punkt. Liverpool Ausrufezeichen.


Interview: Thomas Poppe.


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