Keeperkolumne: Zieler ist gerade der einsamste Mensch der Welt
Es war das Eigentor des 6. Spieltags und zugleich sicher auch das Eigentor des Jahres: Der Einwurf von Sosa in Richtung Ron-Robert Zieler, der im eigenen Tor landete und zum zwischenzeitlichen Ausgleich führte beim Spiel Stuttgart vs. Werder. Unser Kolumnist und Torwartexperte Timo Hildebrand (u.a. Deutscher Meister mit dem VfB 2007) war live im Stadion und hat die Szene ganz genau gesehen. Wie er drüber denkt, schreibt er exklusiv bei uns in seiner Keeper Kolumne #ZUGENAGELT.
Fußball ist ja ein schnelllebiges Geschäft, aber es gibt da so ein paar Momente, die vergisst man einfach nicht. Das kuriose Eigentor von Ron-Robert Zieler zum Beispiel, schon jetzt ziemlich sicher das Eigentor des Jahres. Ich war am Wochenende live im Stadion und konnte zunächst nicht glauben, was ich da sah. In dieser Szene geben sowohl Zieler als auch Borna Sosa kein gutes Bild ab, aber der Torwart hatte schon den deutlich größeren Anteil. Bei einem Einwurf in der eigenen Hälfte nicht mitzukriegen, dass das Spiel weitergeht – kann passieren. Aber dir am Schienbeinschoner rumzufummeln, wenn der Ball deinem eigenen Tor so nah ist, finde ich schon etwas unglücklich.
Dazu kommt die Stelle, an der Zieler stand. Er signalisiert Sosa damit, dass er anspielbar ist. Hätte er woanders gestanden, hätte Sosa vermutlich nicht zurückgeworfen. Dass Zieler den Ball dann reflexartig noch berührt, ist dann die Kirsche auf der Sahne. Das machst du als Keeper einfach, weil du in Bruchteilen von Sekunden entscheiden musst und es in dem Moment nur einen Gedanken gibt: Schnell hin zum Ball und verhindern, was noch zu verhindern ist.
Throw back: Hildebrand Patzer, Eto’o Tor
Leider sah Zieler in den letzten Spielen öfters nicht so gut aus, es wäre langsam ein guter Zeitpunkt, um wieder die Kurve zu kriegen. Patzt du als Torwart, dann zerstört das alles – egal, wie gut du bis dahin gehalten hast. Aber dir bleibt keine andere Wahl, als weiter zu machen. Das Spiel wird deswegen ja nicht abgepfiffen. Zum Glück hat der VfB gegen Werder noch gewonnen, ich mag mir gar nicht ausmalen, was passiert, wenn Stuttgart wegen Zielers Fauxpas Punkte lässt.
Ich habe auch mal so ein Ding gebracht – gegen Chelsea. Damals habe ich einfach zu lange gebraucht, um den Ball wegzuschlagen. Irgendwann stand dann plötzlich Samuel Eto’o vor meiner Nase, hat Schuss clever geblockt und der Ball ist reingegangen. Und das war in der Champions League, Leute. War eine krasse Nummer. Wenn du dann da hinten drin stehst, ganz alleine, und keiner kommt zu dir, dann bist du der einsamste Mensch der Welt. Das ist schon hart zu verkraften. Als Torhüter brauchst du dann einen starken Charakter, um weiterzumachen. Aber da mache ich mir bei Zieler keine Sorgen.
Foto: spooney.de
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