kfcuerdingen scaled
Foto: Picture Alliance
  • News
  • Diverse
  • MEINUNG
FUMS Magazin » MEINUNG » Diverse » KFC-Fan packt aus: So ist mein Leben als Fan von „Deutschlands schlimmstem Club“

KFC-Fan packt aus: So ist mein Leben als Fan von „Deutschlands schlimmstem Club“

Der KFC Uerdingen ist laut BILD-Zeitung „Deutschlands schlimmster Club“. Egal ob unbezahlte Rechnungen, lustlose und überteuerte Altstars, Trainer-Verschleiß oder abgebrochene Trainingslager: der ehemalige Werksclub hat in der Vergangenheit kein Fettnäpfchen ausgelassen. Auch jetzt steht der Verein mal wieder vor einer existenziellen Krise und vor einem möglichen Aus. Warum wird man von so einem Verein Fan? Wie viel Leidensfähigkeit und Selbstironie muss man mitbringen? Am heutigen Dienstag sollen die Fans darüber abstimmen, ob der Verein an einen neuen Investoren übergeben werden kann und damit weiterhin eine Zukunft hat. Felix Willikonsky – Digitalchef bei PIABO, vorher Head of Social Media DAZN, und seit über 30 Jahren Fan des KFC – erklärt uns, warum man sich so etwas antun kann.


Ich werde oft gefragt, warum ich als Stuttgarter Fan von Bayer Uerdingen wurde. Dann antworte ich mit dem Umstand, dass meine Nachbarn Fans der Bayern, dem 1.FC Köln oder Eintracht Frankfurt waren und ich lieber eine schlechtere Mannschaft ausgewählt habe. Tatsächlich schlägt mein Herz für Underdogs. Das gilt für Boxkämpfe, oder die WM, bei der ich immer auf den Titel einer afrikanischen Mannschaft hoffe.

Einprägsam war besonders mein erster Stadionbesuch in der Grotenburg 1990. Ich hatte zu Weihnachten Tickets für das Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt geschenkt bekommen. Die Bilder und Eindrücke sind noch heute in meinem Kopf fest verankert: mein pochendes Herz als die Spieler wie Brian Laudrup, Marcel Witeczek oder Wolfgang Funkel aus dem Bus stiegen und mein Kicker Sonderheft signierten, der Geschmack der Stadionwurst oder die Tatsache, dass mein Vater darauf drängte, 5 Minuten vor Abpfiff das Stadion zu verlassen, obwohl wir noch die Chance hatten, das Spiel zu gewinnen. Seit dieser Zeit kehre ich immer wieder an den Niederrhein zurück, um mir Spiele „meines“ Teams anzugucken. Und ehrlich gesagt: seit 1990 ging es eigentlich fast immer nur noch bergab. Von der ersten bis zur siebten Liga habe ich alles mitgemacht. Der große Wendepunkt war insbesondere der Ausstieg von Bayer Mitte der 90er, dessen Bekanntgabe mich, zugegebener Maßen und beschämender Weise, zumindest körperlich in ähnlicher Weise mitgenommen haben wie davor das Ableben von Kurt Cobain oder später die Fernsehbilder des 11ten September. Mir war schon mit 11, 12 Jahren klar, was das für die Zukunft des Vereins bedeuten sollte. Meine tägliche Lektüre, der Kicker, hatte das düstere Zukunftsbild schon im Vorfeld in die düstersten Farben getaucht und ich ahnte, was das mit meinem Gemütszustand machen würde. Noch heute haben die Spiele des KFC eine große Wirkung auf meine Laune und die allgemeine Befindlichkeit. Eine schmerzhafte Niederlage liegt mir manchmal wochenlang im Magen, während ich bei wichtigen Spielen teilweise schon Tage vorher nicht mehr essen oder schlafen kann. Als Fan von Borussia Dortmund oder Bayern München lebt es sich bestimmt gesünder. Ein KFC-Fan ohne Resilienz, Selbstironie, einem realistischen Blick auf das Fußballgeschäft der Gegenwart und einer gleichzeitig verklärenden Haltung zur Vergangenheit und einer naiven Hoffnung auf „bessere Zeiten“ in der Zukunft, wird sich hingegen nicht finden lassen.

‍Warum tue ich mir das noch immer an?

Die vergangenen Jahre waren hart. Mit Hermann Tecklenburg, einem deutschen Bauunternehmer und Agissilaos Kourkoudialos, kurz genannt „Lakis“, einem Bauunternehmer aus Griechenland, sind wir Sonnenkönige gewohnt. Das Stadion verfiel, die Stadt warf dem Club permanent die Knüppel zwischen die Beine, die Trainer und Spieler kamen und gingen wieder. Dabei sahen wir alte Bekannte wie Marcus Wedau, Stephan Passlack, Jörg Scherbe und Sebastian Hahn oft ein zweites Mal in höherem Alter wieder. Aus dem Off meldete sich jährlich in regelmäßigem Abstand unsere Legende Friedhelm Funkel mit Sorgen um seinen Verein. Die Leiden und das Drama wurde so zu einer süßen Gewohnheit, der Umgang mit Hiobsbotschaften, der allgemeine Struggle rund um den Club zur Routine. Spaß machte es nur, wenn unser Maskottchen, der Grotifant, mal wieder einen raushaute oder die 11-Freunde einen ihrer witzigen Berichte über den KFC veröffentlichten. Schließlich wurde vor wenigen Jahren „Der Grieche“ (RP, WZ, BILD) von „dem Russen“ (RP, WZ, BILD) abgelöst. Wir stiegen zwei mal in Folge auf und zu guter Letzt, in zwei hoch dramatischen Spielen und schließlich sogar durch den guten Willen des Verbandes, ging es sogar in den Profifußball. Dort, wo man wöchentlich die Teams im TV sehen kann. Man muss sagen, dass es ohne die Entscheidung Michail Ponomarevs, den kernigen Stefan Krämer zum Trainer zu machen, niemals so gekommen wäre. Dafür bin ich unfassbar dankbar.

Das Blau-Rote Virus

Mein Sohn wurde am 27. Mai 2018 geboren, dem Tag des Aufstiegs in die 3. Liga. Die Wehen setzten bereits lange Zeit vor dem Anpfiff ein. Wir fuhren in der 30. Minute los, der KFC führte mit 1:0 im Aufstiegsrückspiel bei Waldhof Mannheim. Natürlich hielt der WDR, sowohl bei der Fahrt ins Krankenhaus, als auch während der Geburt, meine Frau, das noch ungeborene Kind und die Hebammen, über den Spielstand und die anschließenden Krawalle auf dem Laufenden. Es besteht die berechtigte Sorge, dass auch mein Sohn mit dem blau-roten-Virus infiziert wurde. Dann wird auch sein Glück nun teilweise in den Händen eines maroden Clubs ohne Stadion liegen, der sich, ungeliebt von eigenen Stadt, der Bild-Zeitung und ganz Fußballdeutschland, irgendwie so durchschlägt. Das wird uns hoffentlich zusammenschweißen.

Die aktuelle Situation in Liga 3

Trotz aller Negativschlagzeilen, dem unsäglichen Twitter-Intermezzo unseres Investors und teilweise hanebüchenen Personalentscheidungen, bin ich über die Ära Ponomarev froh. Mein Verein findet wieder statt, wir haben einen guten Trainer mit Charm und Charisma und, zumindest in diesem Jahr, eine sehr junge, hungrige Truppe, die kämpft. Spieler wie Gino Fechner, Hidde Jurjus, Dave Gnaase, Heinz Mörschel oder Mohammed Kiprit haben allesamt sehr gutes Zweitliga-Format. Dazu kommen Kicker wie Assani Lukimya, die charakterlich einwandfrei sind. Zuvor hatten schon junge Spieler wie Jean-Manuel Mbom (Werder Bremen) oder Johannes Dörfler (SC Paderborn) den Sprung in die erste bzw zweite Bundesliga geschafft. Dass dieser ganze Wahnsinn um den Verein herum, sich derzeit kaum auf das Spiel der Mannschaft überträgt, grenzt an ein Wunder – und macht mich stolz. Es ist macht mir persönlich mehr Spaß dem Team gegen Teams wie Hansa Rostock, den 1.FC Kaiserslautern oder 1860 München zuzugucken, als die Derbys Fischeln, Straelen oder den Wuppertaler SV. Zumal es im Verein zu dieser Zeit nicht minder chaotisch war.

Was folgt jetzt?

Am heutigen Dienstag möchte sich der KFC Uerdingen 05 zum neuen Investor äußern und die Mitglieder darüber abstimmen lassen, ob Michail Ponomarev seine Anteile am Club veräußern darf. Das ruft einmal mehr Kritiker auf den Plan. Über „dubiose“ Geldgeber aus Armenien wurde spekuliert, genauso über mögliche Investoren aus Russland. Dabei ist zu Coronazeiten insbesondere der Umstand der Abstimmung sehr speziell. Mindestens 50% der Mitglieder müssen an der Abstimmung teilnehmen, damit diese gewertet werden kann. Ein schwieriges Unterfangen und somit wackelt auch die Übernahme. Es wäre eine Ironie der Geschichte, wenn nun die Fans, durch versäumte Stimmenabgaben, dem Verein den Todesstoß verpassen würde. Für die Öffentlichkeit wäre das nur eine weitere peinliche Posse in der Vereinshistorie von „Deutschlands schlimmsten Club“. Mir würde es allerdings das Herz brechen..


Von Felix Willikonsky
(Hat den Grotifanten als Kuscheltier im Bett liegen, Anm. d. Red.)

Lob, Kritik, Feedback, User-Meinung, Lottozahlen:

  1. Ich bin vor 50 Jahren in Uerdingen geboren und auch in Uerdingen groß geworden. Es ist Ehrensache Uerdingen Fan zu sein und für immer zu bleiben! Ich war immer für Uerdingen und habe alles mit diesem Verein mitgemacht, gelitten und gehofft. Ob Sieg oder Pleite… Das wird immer so sein. Das ist Ehrensache! Für mich gibt es nur Fußball aus Uerdingen! Schade, dass so viele das in Krefeld und wahrscheinlich auch im Rathaus anders sehen!

  2. Hallo zusammen auch ich bin seid 44 Jahren Fan vom KFC wohne zwar im Ruhrgebiet tief im Westen aber Mein Herz ist Blau Rot. Ich möchte mich bei der Stadt Krefeld bedanken für ihre Ignoranz so macht man einen Verein kaputt. Schöne Grüße aus Bochum von einem Krefelder

  3. Es gibt eine Petition zur Grotenburg auf openPetiton.de, mit dem Ziel, dass der KFC endlich wieder in Krefeld spielen kann.

  4. ..und nach den heutigen Nachrichten stehen wir wohl wieder am Ende.. es gibt wohl doch keinen Investor ….ich könnte heulen…. Wieder mal ein schwarzer Tag in der Vereingeschichte.

  5. Auch mein Grotifant grüsst von der Bett kante! Wunderschön geschrieben, erkenne ich meine 50 Jahre blau-rote Treue wieder! Vielen Dank.
    Für mich ist und bleibt Oeding Herzblut, Heimat und Emotion!

  6. Ich war 5 als mich mein Dad mich ins Stadion mitnahm. 1973. Ich glaube Bayer spielte gegen Preussen Münster. Seitdem ist mein Herz Blau-Rot- …bis heute. Und auch in Liga 6 war ich dabei, zusammen mit den Jungs der "Underdogs". Es muss weiter gehen, egal wer die Kohle gibt. Die Stadt Krefeld ist leider ein Präventivbeispiel dafür, wie man( jahrzehntelang )versucht den heimischen Verein kaputt zu bekommen. Aber wir stehen immernoch! Einmal Blau-Rot, immer Blau-Rot. Lasst uns weiter machen.

  7. Ich bin gebürtiger Krefelder . Ich war noch nie KFC Fan aber ich war damals oft im Stadion. Ich war dem historischen Sieg gegen Dresden dabei und obwohl ich kein Fan bin tut es weh zu sehen was aus dem Verein geworden ist.

  8. Danke – so fühlt, leidet und lebt man als Uerdinger mit seinem Verein.

    Egal was andere schreiben oder sagen – das wird mich nicht abhalten ich werde immer Uerdinger sein❤️

  9. Super geschrieben. Ich lebe in Krefeld,bin 44 Jahre alt und ich bin seit 1984 Fan vom kfc Uerdingen und ich muss sagen es ist nicht leicht. Nur es ist mein Heimat Verein und ich steige mit ihnen auf und ab.

  10. Perfekt beschrieben. Komme auch aus Baden-Württemberg und bin seit Kindheitstagen KFC (bzw. Bayer) Uerdingen Fan. Vielen Dank für den Bericht!

  11. Hallo Felix,

    besser hätte ich es auch nicht beschreiben können!! Ich bin gebürtig aus Aachen und habe einen ähnlichen Weg mit dem KFC verbracht…

    Danke für den Bericht…

    Gruß,Rene

    1. Hallo zusammen, bin in Krefeld geboren, wohne schon lange an der Nordseeküste, bin trotzdem immer noch KFC Fan, das letzte Spiel was wir live gesehen haben, in Düsseldorf, Pokal gegen den BVB, ich bleibe, auch meine Kinder und Mann KFC Fan, egal wo die Reise hingeht LG Birgit aus Ostfriesland

Comments are closed.