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Hinteregger: Wie soll ein Mensch das ertragen?

Martin Hinteregger torkelt betrunken über Dorffest und schwänzt Augsburg-Training – heidewitzka, Herr Kapitän. Die Schlagzeilen um den Österreicher reißen nicht ab und haben es mittlerweile ganz schön in sich. Nach seiner unfreiwilligen Rückkehr zum FC Augsburg, der vermeintlichen (!) SGE-Rucksack-Geschichte und dem Teamfoto-Streik soll Hinteregger im Trainingslager in Tirol auf einem Dorffest nun etwas zu tief ins Glas geschaut haben. Das mediale und sicher auch vereinsinterne Echo hat Ausmaße einer Lawine voller Scheiße – um mal den Begriff Shitstorm zu vermeiden. Vom gern zitierten Musterprofi kann hier eigentlich keine Rede mehr sein, oder? In erster Linie ist Hinteregger ein Mensch und das sollte er nicht verstecken müssen, findet unsere zarte Seele der Redaktion, Philipp Poisel ähhh…Cord Sauer.


Die Fakten mal vorweg: Martin Hinteregger hat in Frankfurt eine überragende Rückrunde gespielt, maßgeblichen Anteil am Höhenflug der Adler gehabt und musste nach ausgelaufenem Leihgeschäft zurück zum FC Augsburg. So normal, so ok. Wäre da nicht die spezielle Bindung, die der Ösi in diesen sechs Monaten zur SGE aufgebaut hat. Hinteregger entpuppte sich nicht nur als sportliche Verstärkung, sondern vor allem als Loyalitätsmonster und war quasi das fehlende Puzzleteil, dass der Hütter-Truppe noch gefehlt hat. Das Problem an der grundsätzlich fast zu kitschigen Geschichte: Time flies. Und so schreiben wir mittlerweile die Saison 19/20, die da besagt: Hinteregger besitzt einen Vertrag bei den Fugerstädtern.

Da half auch sein erstes, ehrliches und vor allem öffentlichkeitswirksames Bekenntnis in Form eines vermeintlichen Eintracht-Frankfurt-Rucksacks (oder sagen wir mal einem Rucksack mit starker Ähnlickeit, denn auf dem 20-Pixel-Foto war kaum etwas zu erkennen) nichts, mit dem er zum ersten FCA-Training erschien. Erinnert sich eigentlich noch jemand an Götze im Nike-Shirt bei seiner FC Bayern-Team-adidas-Vorstellungs-PK? Unforgettable. Unter dem Hashtag #freeHinti formierte sich bereits im Social Web eine Hinti Army, die „Freiheit“ beziehungsweise freie Klubwahl für den Sympathieträger forderte. Hinter den Kulissen dürfte es zwischen Sportchef Reuter, Trainer Schmidt und Hinti selbst also ordentlich geknirscht haben.

Nicht mehr tragbar für den FCA, auf dem Sprung zur SGE

Dass er den Fototermin mit seiner Mannschaft (entschuldigt) platzen ließ, darf fast als Lappalie abgestempelt werden bei all den anderen Punkten auf dem imaginären Strafzettel. Die feine Art ist es aber in Summe dennoch nicht. Auch mit Blick auf seine Teamkameraden in Augsburg, die einen respektvollen Umgang verdient haben. Aber wie muss sich ein junger Spieler fühlen, der gegen seinen eigentlichen Willen bei einem Verein verweilen muss, den er nicht (mehr) im Herzen trägt? Mal Ousmane Dembélé und Kollegen fragen…

Mit der Dorffest-Nummer hat Hinti dem Sommermärchen nun die Krone aufgesetzt. Es ist vielleicht schon jetzt die Boulevard-Schlagzeile der Saison: „Hinteregger torkelt betrunken über Dorffest“ – Das sollte eigentlich niemanden interessieren, denn das ist das Normalste der Welt. Und das ist nicht als Aufruf zum Saufen zu verstehen. Aber ihr wisst, wie es gemeint ist. Dorffest heißt: Geselliges Miteinander, Bierchen hier, Weinschorle dort, vielleicht ein Tänzchen, der obligatorische Döner auf dem Rückweg und ab nach Hause. Das sollte auch für einen Bundesliga-Profi in Ausnahmefällen möglich sein, auch wenn der Preis, sich diesen gesellschaftlichen Highlights in der Regel entziehen zu müssen, natürlich hoch sein kann. Ein Blick auf die aktuelle Entwicklung zeigt: Alles sieht nach einer Rückkehr Hintereggers zur SGE aus. Seine drastischen Maßnahmen hätten in diesem Falle gegriffen.

Die Frage nach dem WIE muss aber zwangsläufig gestellt werden. Letztendlich hat sich Hinteregger offenbar erfolgreich zu seinem Lieblingsklub gesoffen – tschuldigung: gestreikt, weil er für seinen eigentlichen Arbeitgeber nicht mehr tragbar war. Parallelen zu gewissen (Barca-)Profis mit deutlich weniger Symphatiewerten sind deshalb nicht von der Hand zu weisen. Bitte aber immer auch berücksichtigen: Profifußballer sind eben auch nur Menschen. Da sind zwar hochdotierte Verträge im Spiel, aber auch Gefühle. Bisschen mehr Menschlichkeit kann im Geschäft Profifußball sicherlich nicht schaden – dann kann ein Mensch das alles auch ertragen. Vermutlich sogar ganz ohne Alkohol.


Von Cord Sauer
(Prost, Anm. d. Red.)