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Warum es scheiße ist, Bayern-Fan zu sein

Poppe wieder! Unmittelbar vor dem Bundesliga-Start hat unser Autor und bekennender Bayern-Fan Thomas Poppe mal aufgeschrieben, dass es gar nicht mal so geil ist, Bayern-Fan zu sein. Klingt jetzt natürlich komplett bescheuert – und ist es irgendwie auch. Aber allein, um die Gründe für diese bittere Wahrheit kennenzulernen, lohnt es sich, dieses Brett hier zu lesen.


Heute geht sie also los, die 54. Bundesligasaison. Und der FC Bayern – mein FC Bayern – macht sich auf zum 27. Titel. Keiner will das so wirklich, aber so wirklich erwartet auch keiner etwas anderes. Nun könnte man meinen, als Fan eines Serienmeisters ist alles eine große Party. Dabei ist es das genaue Gegenteil. Ein wochenlanges warten auf Emotionen und Sensationen. Eine einzige Sehnsucht nach Spannung. Es nervt. Es muss mal raus. Eine Abrechnung: Warum es scheiße ist, Bayern-Fan zu sein.

Jaja…Klatschpappen-Publikum, Kunden, Rolex-Kalle, Arroganz Arena, Bauern, Dusel-Bayern.

Alles tausendfach gehört. Damit komm ich klar. Die Anstrengungen sind oft hausgemacht und nach außen offenbar kaum zu erkennen. Glaubt ihr vielleicht, ich finde das geil, schon im März kurz vor der Meisterschaft zu stehen? Eine Dominanz, die man sich im Streben nach Europa selbst eingebrockt und mit der ständigen Schwächung der Konkurrenz noch verstärkt hat. Wenn die Medien dir einprügeln wollen, dass „zu den vier besten Teams in Europa gehören und beide nationalen Titel holen“ nur noch unter „Kack-Saison“ fällt – natürlich, weil der Club selbst das stets als zu wenig bezeichnet. Hier ein Abstiegskampf, da die Hoffnung auf Europa, ein Wiederaufstieg, ein Sieg gegen Bayern – anderswo ist immer Emotion.

Kommt die Fan-Frage bei neuen Bekanntschaften, verspüre ich irgendwie immer den Drang, an „Ich bin Bayern-Fan“ noch so etwas wie „aber einer von den Normalen“ oder „aber keine Event-Fan“ oder „ich kann doch auch nix dafür“ zu hängen.

Glaubt man diversen Kommentaren im Netz, besteht das Publikum in München aus „Kunden“, nicht aus Fans. Wirklich bestreiten kann ich es nicht. Natürlich brennt es anderswo ganz anders. Die Allianz Arena ist ein Bucket-List-Ding geworden. Für Touristen, für Familien, selbst für Leute, denen Fußball am Arsch vorbei geht. Ist das ein Drama, wenn ein Block voll mit Asiaten, Familien mit Kleinkindern und Leute ohne Regelkunde sitzt? Sicher nicht. Wird dadurch die Stimmung besser? Sicher nicht. Den längst sehr annehmbaren Support – gerade auswärts – verschweigen dabei viele.

Viel vermeidbarer sind hingegen die Aussagen von Kalle Rummenigge. Wie der beste Kumpel, der auf einer öffentlichen Veranstaltung zu viel getrunken hat und sich daneben benimmt. Du weißt, dass es peinlich ist, aber natürlich lässt du ihn nicht im Stich. Über Ribéry – dem Mann, der den ungesühnten Ellbogenschlag perfektioniert hat – müssen wir nicht reden. Was soll ich sagen, wenn er den achten Gegenspieler ohne Platzverweis weghaut?

Auf so eine Tätlichkeit folgt dann gerne die geballte Hässlichkeit des Bayern-Bashings. Kinderficker-Witz, Sprüche über sein vernarbtes Gesicht. Tagesordnung.

Schlechte Fans gibt es überall. Auch über so manchen „Fan“ können wir reden. Die schlechten Sprüche über Bayernfans – zu oft ist leider auch was dran. Überheblichkeit und Humorlosigkeit sind die zwei schlimmsten Eigenschaften, die ich leider selbst immer wieder sehe. „WIR“ sind Meister. „DIE“ haben verloren“. Das ganze Elend in drei Buchstaben. Im Netz wird sich gerne mehr über die Niederlage der Anderen als über den eigenen Sieg gefreut.

MIA SAN MIA – ok, aber das wird leider viel zu häufig in IHR SEID NIX fehlinterpretiert.

Meine Formel für Fanfreude lautet (Erwartungshaltung + Dramatik)*Wartezeit bis zur Erfüllung. Und deswegen ist es eben kein Wunder, wenn die vierte Meisterschaft in Serie ein (1+0)*1=1 und eben keinen sehr hohen Freudenfaktor erzeugt. Vergleiche mit anderen Feiern hinken wie Ronaldo im EM-Finale. Nach dem Triple war ich satt. Wo willst du hin, wenn du alles hast? Alles noch mal? Welcher andere Verein hat ein Ziel, welches er nicht übertreffen kann? Es hat drei verlorene Halbfinals gedauert um mich wieder richtig geil auf den Europacup zu machen, der noch vor ein paar Jahren so unerreichbar schien. Zwischen 1990 und 1998 gab es zwei Meisterschaften. Rumpelfußball im halbvollen Olympiastadion – das muss man sich mal vorstellen.

Und selbst als man bis 2006 gleich sechs Mal Ligaprimus war, lag dies teils an Schützenhilfe aus Unterhaching oder einem indirekten Freistoß in der Nachspielzeit. Damals, als man noch in Cottbus und Freiburg verlieren konnte und ein Auswärtspunkt noch eine feine Sache war. Der FC Bayern ist seither längst ein nationaler Einserschüler geworden. Ein Streber, der dem Fünferschüler die Ohren voll heult, wenn er mal nur ein 2 bekommen hat. Keiner mag Streber – ich weiß das, weil ich selbst lange genug Fünferschüler war.

So hangle ich mich von englischer Woche zu englischer Woche. Genervt von Mauermannschaften, gelangweilt von Kantersiegen, gleichgültig wegen Niederlagen ob der meist bequemen Tabellensituation.

Und ich warte. Schaue unaufgeregt Gruppenauslosungen. Warte weiter. Auf die zwei bis fünf großen Spiele in der Champions League, in denen alles passieren kann. Auf das eine Pokalspiel, bei dem es doch eine Sensation geben könnte. Und auf eine Saison, die zumindest in den gleichen Drama-Sandkasten hüpft, in dem 2001 das Weltrekordfähnchen von Patrick Andersson gesteckt wurde. Hoffe, Kalle hält den Mund, Ribery lässt den Ellbogen bei sich, der Schiedsrichter pfeift gerade gegen den BVB mal alles richtig und der signifikante Teil der „Fans“ lernt, dass man nicht nur ein guter Verlierer, sondern vor allem ein guter Gewinner sein sollte. Die geilen Momente entschädigen. Will ich Mitleid? Auf keinen Fall! Aber hört bitte auf zu denken, dass Bayern-Fan-sein das einfachste und geilste auf der Welt ist. Zieht uns die Lederhosen aus, dass das endlich mal wieder eine spannende Saison wird!


Von Thomas Poppe
(Der Typ hat wirklich nen Dachschaden. Aber schreiben kanner, Anm. d. Red.)