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Sammer bei Eurosport: Wie früher in der Schule – nur in cool

Sauer wieder! Hefte raus, Geschichtsunterricht! Was früher, meist Montags in der ersten oder Freitags in der fünften, sechsten Stunde wirklich ’ne Qual war, erlebt in dieser Saison die schönste Renaissance, seit es Renaissancen gibt. Matthias Sammer seziert gemeinsam mit Jan Henkel im Eurosport Player das Fußballspiel und es ist Lehre aus dem obersten Regal. Sogar unsere größte Taktik-Nulpe Cord Sauer hat seit geraumer Zeit Bock auf Erklärvideos und Whiteboard – und das soll was heißen. Eine fette Eins Plus mit Sternchen ins Klassenheft der beiden Eurosport-Männer. 


Wir kennen das doch alle – wann immer jemand uns vor einer Tafel etwas erklären oder beibringen wollte, sind wir in der Regel gelangweilt weggenickt, haben uns irgendwie anderweitig beschäftigt oder waren gar nicht erst anwesend. Das war in der Schule besonders schlimm, in der Fahrschule etwas erträglicher und bei der Taktik-Besprechung in der Kabine…sagen wir – einigermaßen aushaltbar. Aber in Wirklichkeit hatten wir doch immer nur eins im Kopf: Wann geht’s endlich wieder raus auf die grüne Wiese?

Ein Gedanke, der uns auch verfolgt, wenn wir Fußball nur passiv vor dem Fernseher konsumieren. Wer schaltet schon wirklich gern und bewusst vor Anpfiff ein, um sich die Märchenstunde zu geben? Klar, Atmosphäre, Aufstellungen, Trainerstimmen…alles schön und gut, aber eigentlich soll es einfach nur losgehen. Vorberichterstattung, Halbzeit-Analyse, Nachberichte – wenn wir ehrlich sind, stehen diese Begriffe nicht gerade für große Fernseh-Sternstunden. Daran ändern auch Calli, Lodda und Metze nichts und Jens Lehmann sowieso nicht. Vielleicht ist das, was Oli Kahn da wahlweise mit Oli Welke und Jochen Breyer macht, noch am erträglichsten.

Fummeln und Fuchteln wie ein Wahnsinniger
Und plötzlich steht da Matthias Sammer bei Jan Henkel, Hemd an, Pulli drüber, und sorgt dafür, dass sich das Einschalten vorher lohnt. Weil alles rund um Aufstellung und Taktik auf einmal interessant ist. Interessanter als jemals zuvor. Wie macht er das bloß? Er gestikuliert leidenschaftlich, fummelt und fuchtelt wie ein Wahnsinniger, verheddert sich in „Äh’s“ und „Ähhhh’s“ und doch hat alles, was er erzählt, Hand und Fuß. Und im nächsten Moment sitzt er wieder seelenruhig am Pult und strahlt die pure Gelassenheit aus.

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Die Magnettafel ist sein Playground. Wenn Matthias Sammer Spielsysteme und Spielsituationen erklärt, muss man zuhören. Und obwohl der den Erklärbären gibt, bleibt sie irgendwie aus, diese schulisch bedingte, in der DNA verwurzelte, Abneigung gegen diese Geschichtsunterrichtshölle, aus der es eigentlich kein Entkommen gibt. Wenn Matthias Sammer Lehrer wäre, dann wäre er vielleicht der mit dem Kastenwagen und dem Videorekorder. Unterricht – nur in cool eben. Sechste Stunde, aber erträglich. Manchmal schnappt er sich einen Magnetknopf und zieht ihn über das halbe Whiteboard. Unmittelbar danach fühlt man sich meist dermaßen erleuchtet und angezündet, dass man sich nur noch fix die Schuhe zubinden und schnell rauf aufs Spielfeld stürmen möchte. Taktische Ausrichtung verstanden, jetzt schnell der Mannschaft helfen. Aber aufpassen: „Individuelle Fehler killen dich“ und „Pech ist eine Qualitätsfrage“ – seine eingestreuten Weisheiten gibt es inklusive.

Gott danken, dass irgendjemand die Idee hatte…
Früher Grantler und Mahner, seit dieser Saison kaum wiederzuerkennen. In der FCB-Trainingsjacke spulte er immer dieselbe Kassette ab: „Müssen aufpassen, müssen gewinnen, das fiese Spiel der Medien spielen wir nicht mit, wir lassen hier keine Unruhe zu, konzentrieren uns auf uns selbst, das nächste Spiel ist das wichtigste, bla bla bla.“ Unvergessen, wie Jürgen Klopp einst gegen ihn stichelte: Ich an seiner Stelle würde jeden Tag Gott danken, dass irgendjemand die Idee hatte, mich dazuzunehmen.“ 

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Heute danken wir nun Gott, dass irgendjemand bei Eurosport die Idee hatte, Sammer dazuzuholen. Dort, wo er im Vergleich zu seiner Rolle beim FC Bayern einfach er selbst sein darf. Wo er lachen darf. Wo er schmunzeln darf. Wo er locker sein darf. An der Magnettafel, am Bildschirm, am Pult. Und wenn es gar nicht anders geht, dann auch im Eins vs. Eins mit Jan Henkel. Unnachahmlich, wie er neulich eine strittige Szene aus dem Spiel Werder vs. Köln nachstellte und Henkel kurzerhand zum Gegenspieler umfunktionierte.

„Wenn ich so mache und da ist die Hand, dann ist es Foul. Aber wenn ich so mache und du kommst so – dann isses kein Foul.“ Sagt er als wäre es das Einfachste der Welt, riss dabei Henkel wie eine Trainingsstange an sich, Brust an Brust, spielte die Szene nach und löste sich wieder. Gut, auf derart praktische Veranschaulichungen haben die Lehrer früher in der Schule in der Regel verzichtet, aber vielleicht war auch genau das der Fehler.

Bildschirmfoto 2018 03 12 um 22.28.21(Fotos: Screenshot Eurosport)


Von Cord Sauer
(hätte er früher in der Schule mal besser aufgepasst, hätte er vielleicht auch was Anständiges gelernt, Anm. d. Red.)

 

Lob, Kritik, Feedback, User-Meinung, Lottozahlen:

  1. Danke Danke Danke für diesen Artikel!
    Ich schaue mir den Sammer bei Eurosport so gerne an! Seine Analysen sind brilliant und ich versuche es seit Wochen meinen Kumpels zu verklickern, aber durch euren Artikel fühle ich mich bestätigt!
    Danke!

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