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„Clever eingefädelt?“ Unsportlich und sonst nix!

Ihr kennt sie alle, die Fußballfloskeln und den Fußballersprech: „Nur ein leichter Kontakt“, „Elfer dankbar angenommen“, „clever eingefädelt“ oder „da muss er den Kontakt suchen“. Ein ganz normaler Zweikampf wirkt da fast schon aus der Zeit gefallen. Autor Jan Budde jedenfalls hat den Kontakt zu FUMS gesucht, es gab nur einen leichten Kontakt und zack – war dieser Text hier clever eingefädelt.


Man darf Fußballersprech nicht zu ernst nehmen und damit meine ich nicht nur die Verbalinjurien, die in den Kreisligen der Nation auf die Asche und in Richtung Schiri und Gegner gegöbelt werden. Der Fußballjargon ist größtenteils Bildsprache. Jeder weiß, was gemeint ist, und jeder kann sich verständlich machen. Einfach in der Handhabung und universell einsetzbar. Auf der Sprachwiese Fußball gedeihen Raumdeuter neben Bananenflanken und Blutgrätschen.

Genretypische Formulierungen wie „Geh steil“ und „Gasse, Gasse … GASSE!“ beschreiben keine wilde Straßenfete, sondern sind gezielte Anweisungen und Hinweise, die abseits des ballorientierten Geschehens andere Handlungen nach sich ziehen würden. Wer in der Kantine „Leo!“ schreit, kann beispielsweise nicht damit rechnen, dass sein Vordermann das letzte Fleischbällchen liegen lässt. Und wer im proppenvollen Pendlerverkehr eine Raumdeckung praktiziert, wird wahrscheinlich mannorientiert aus dem Spiel genommen.  

Mehr Reklamierarme als faire Sportsmänner 

Der Strafraum ist keine vergitterte Zelle, bei der ein Alibipass helfen würde und wer im Strafraum fummelt, dem ist nichts entglitten, auch wenn immer öfter beim Fummeln gerne mal um einen Freistoß gebettelt wird. Vielmehr scheint es dabei – trotz des Videobeweises – die Fairness zu sein, die den Protagonisten entgleitet. Nun ist der Fußball nicht gerade der unerschöpfliche Quell moralisch integrer Philanthropen – das heißt, es gibt mehr Luftpumpen und Reklamierarme als faire Sportsmänner.

Da fällt wieder jemand zu Boden und unisono wird derjenige als clever apostrophiert. Ribéry sinkt am ersten Spieltag über eine Grätsche, die satte zwei Meter vor ihm im meditativen Tempo und anmutiger Haltung vorbeitreibt. Frech? Clever! Und auch Breel Embolo weiß stattdessen, wofür Beine da sind und wie weit Füße tragen können. Mark Uth dagegen hat vergangene Woche bereits ein „Geschenk des Gegners“ angenommen und trotzdem würde Tedesco gerne Weihnachten vorverlegen. Dabei kann man auf Schalke den Namen Timo Werner nicht mal flüstern, ohne wüste Schimpftiraden auszulösen.

Doppelmoral: Man möchte Sergio Ramos im Team haben, aber Neymar macht den Sport kaputt

Neymar muss sich selbst schützen, oder braucht Enforcer wie beim Eishockey a la Sergio Ramos, die gleich eine Schlägerei auf dem Platz anzetteln, Schulterwürfe praktizieren und mit Ellenbogen um sich werfen. Das Ende vom Lied? Man möchte Typen wie Ramos im Team haben, Neymar aber macht den Sport kaputt. Ich finde beides nicht gut, weder den überharten Treter noch den Spieler, der aus jedem Kontakt ein Fallbeispiel dafür macht, warum Fußballer in anderen Sportarten als Weicheier gelten. Nur so viel am Rande: Breel Embolo wurde für ein sattes Jahr krankenhausreif getreten und fällt gegen Frankfurt trotzdem nicht zu Boden wie ein sterbender Schwan.

Da wird einerseits eine härtere Gangart und die lange Leine gefordert, so wie bei den Engländern, andererseits muss „er da den Kontakt suchen“, „dankend annehmen“ oder „cleverer agieren“. Die Erkenntnis, dass man den Treter-Typen lieber im eigenen Team hätte, ist nicht expertenverdächtig, sondern reiner Selbsterhaltungstrieb. Dass man den Vorteil des Schwalbenkönigs lieber in den eigenen Reihen weiß, während man selbst ordentlich reinhacken kann, ist keine ekelige Spielweise, sondern das zeitschindende Spielsystem, das sich an der Eckfahne festklammert und schreiend den Knöchel hält, wenn gerade der Schiri guckt.

Das Problem ist ein anderes und betrifft die Doppelmoral der Fans und Experten, die sich in dem Wörtchen „clever“ sammelt. Können wir bitte damit aufhören, „clever“ zu sagen, wenn wir eigentlich „unsportlich“ meinen müssten? Das ist nämlich in jeder Hinsicht ein Eigentor.


Von Jan Budde
(clever eingefädelt hier das Ding, also unsportlich ähhh….nicht unsportlich, sondern clever. Ja was denn jetzt? Anm. d. Red.)