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3. Liga-Kolumne: Mit Bierofka geht bei 1860 die letzte Identifikationsfigur

Was für ein Paukenschlag auf Giesings Höhen: Daniel Bierofka ist nicht länger Trainer von 1860 München. Am Dienstag hat der Oberlöwe nach zwei Tagen Bedenkzeit seinen Auflösungsvertrag unterschrieben. Unsere Kolumnistin Anett Sattler hat bereits damit gerechnet, dass es soweit kommen würde. Und dennoch ist 1860 ohne Bierofka für sie in der endgültigen Konsequenz noch unvorstellbar.


Woran ist Bierofka gescheitert? Die Antwort ist einfach. Nicht er ist gescheitert, sondern die Vereinsführung. Etwas Besseres als dieser Trainer hätte 1860 nicht passieren können. Er war der Fels in der Brandung und hielt die Fäden zusammen, allen Widerständen zum Trotz. Er übernahm die Verantwortung, als der Verein mit dem Zwangsabstieg in die Regionalliga am Boden lag und er führte ihn zurück in den Profifußball. Er formte eine Mannschaft aus Wikingern und infizierte sie mit seiner Liebe zum Verein. Daniel Bierofka war die letzte Identifikationsfigur, die 1860 noch hatte.

Nicht nur, weil er als Spieler bereits über 200 Spiele für die Löwen bestritten hatte und nach Ende seiner Karriere geblieben ist. Als Jugendtrainer, Coach der Zweiten, Co- und Interimstrainer und schließlich als Chef. Sondern vor allem, weil er das gelebt hat, von dem andere immer nur sprachen: Leidenschaft für den Verein, das große Ganze im Blick, fernab jeglicher Eitelkeiten. Dass er nun hinschmeißt und auf eine Abfindung verzichtet, zeigt deutlich, für welche Werte er steht und dass es ihm immer nur um eines ging: 1860 München. Es scheint, als wäre er damit der einzige.

Ohne Vertrauen keine gemeinsame Zukunft

Denn Bierofka wurde zum Spielball zwischen Investor und Vereinsführung. Der vom Präsidium ausgerufene Konsolidierungskurs hat den Machtkampf mit Investor Hasan Ismaik nur noch mehr angeheizt. Ein Machtkampf, der irgendwann selbst einen Kämpfer wie Daniel Bierofka in die Knie zwingt. Weil damit am Ende einer der wichtigsten Werte zerstört wurde: Vertrauen. Und das bereits im September, als der Verein per Pressemitteilung verlauten ließ, „der TSV 1860 München hat vor Daniel Bierofka existiert und er wird es auch nach ihm tun“, garniert mit Informationen zu seinem für Drittligaverhältnisse überdurchschnittlich hohen Gehalt und Spekulationen über einen Wechsel zu einem höherklassigen Verein. Gemeint als Konter gegen den Investor waren diese Worte in ihrer Wirkung aber vor allem eines: ein Stich ins Herz des leidenschaftlichen Traines.

Doch der Wikinger ging wieder einmal weiter stoisch seinen Weg, bis vor dem letzten Spieltag der nächste verdeckte Angriff folgte. In einem Pressebericht wurden Trainingsmethoden angezweifelt und Informationen verbreitet, die Bierofkas Position schwächten, angeblich bereitgestellt durch unzufriedene Spieler. Doch für den Trainer war klar, dass dieser Querschuss nicht aus seinem Team kommen konnte. Für Daniel Bierofka war spätestens an diesem Punkt das Vertrauensverhältnis zur Vereinsführung um die beiden Geschäftsführer Günther Gorenzel und Michael Scharold, aber auch zu Teilen seines Trainerteams endgültig zerstört. Und ohne Vertrauen funktionieren nur wenige Menschen, erst recht aber nicht so hochemotionale Charaktere wie Bierofka.

1860-Präsident Robert Reisinger ließ nun verlauten, man sei auf der Suche nach einem „zeitgemäßen“ Trainer, der junge Talente ausbilden kann. Die Frage ist nur: Wer tut sich das an? Denn eines ist klar: Der Rücktritt des Trainers wird bei 1860 zum Politikum und den Machtkampf nur noch mehr verschärfen. Wer auch immer sich da zwischen die Fronten wirft, muss ein verdammt dickes Fell haben. Und mir fällt niemand mit einem dickeren Fell ein als der Wikinger Daniel Bierofka.


Von Anett Sattler
(dickes Fell, dickes FUMS, Anm. d. Red.)