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Christina Graf: Natürlich gibt es Nachrichten per Instagram, wo du sagst: Das verkackt mir jetzt mal richtig den Tag

Christina Graf war 2013 die erste Frau, die – damals für Sky – ein Bundesliga-Spiel der Männer kommentierte. Es folgten Spiele in der Europa League, im DFB-Pokal sowie Einsätze beim Tennis. 2018 verließ sie den Pay-TV-Sender und arbeitet seitdem für SWR Sport sowie als On Air-Reporterin für die Lokalzeit im WDR. Im Sommer 2020 wird sie in Tokio über die Olympischen Spiele berichten. Ein Gespräch über die Priorisierung von Berufs- und Privatleben, Männer-Frauen-Vergleiche, Leistungsdruck, Insta-DMs und Lieblingspodcasts.


FUMS: Unkonventionelle Einstiegsfrage: Hatten deine Eltern Berufswünsche für dich? Klassisch nach dem Motto: „Mein Vater wollte früher, dass ich Ärztin werde“?

Christina Graf: Ich glaube, mein Opa wollte immer, dass ich Ärztin werde. Mein Opa wollte definitiv nicht, dass ich Journalistin werde, das weiß ich. Das wollte er auf gar keinen Fall. Aber ansonsten – nein, ich konnte machen, was ich wollte. Meine Eltern haben mich nie eingeschränkt. Meine Schwester macht etwas komplett anderes, die ist Intensivschwester in einer Kinderklinik. Ich bewundere das, das könnte ich nicht.

Was wolltest du werden, als du Kind oder Jugendliche warst?

Ich wollte immer Kriegsreporterin werden, ich habe damals viel von Antonia Rados gelesen, viele Vorträge von ihr gehört und hatte auch mal Kontakt mit ihr. Ich finde es nach wie vor spannend, es muss aber auch irgendwie alles passen. Aber am Ende ist es ja auch irgendwie bei Berichterstattung und Medien geblieben. Mich würde es immer noch reizen, ich bin aber auch dankbar, dass ich ins Stadion gehen darf.

Wir müssen natürlich in den Rückspiegel gucken: Du hast am 3. Februar 2013 als erste Frau ein Bundesligaspiel der Männer kommentiert: 2. Liga, Jahn Regensburg gegen Hertha BSC. Wie schaust du heute drauf: Ist es gerade erst gestern gewesen gefühlt oder doch schon ein Weilchen her?
Es ist schon lange her, aber ich kann mich noch exakt an den Tag erinnern, zumindest an einzelne Momente. Ich war wirklich unfassbar nervös, muss ich echt zugeben. Das war etwas sehr Besonderes und das konnte ich nicht ausblenden. Ich hatte das Gefühl, extrem unter Beobachtung zu stehen. Das war für mich einer der extremsten Momente meiner beruflichen Karriere. Privates möchte ich da immer außen vorhalten, weil es eine ganz andere Wichtigkeit hat. Also der Tag war extrem, aber danach hat auch sehr vieles Cooles stattgefunden, es war quasi der Anfang. Sechs Jahre war ich danach bei Sky.

Kommentatorin warst du immer in der 2. Bundesliga, richtig?
Genau. Ich habe nie ein Erstligaspiel kommentiert (schmunzelt). Im DFB-Pokal waren dann auch mal Erstligisten dabei, der HSV zum Beispiel oder Eintracht Frankfurt.


War dir damals bewusst, dass du Bundesliga-Geschichte schreibst? Nie zuvor hat eine Frau ein Männerspiel kommentiert…

Das wurde immer gesagt, aber es hat mich eigentlich nicht interessiert. Ich hatte dadurch nicht weniger oder mehr Druck. Ich will das, was ich mache, gut machen. Dass ich irgendwo die Erste und deswegen etwas Besonderes bin – ne. So denke ich nicht.

Aber der Fokus der Öffentlichkeit war schon da…

Der war da. Ich habe irgendwann von der Medienabteilung von Sky gehört, sie hätten noch nie soviel zu tun gehabt wie bei mir und das war mir damals nicht bewusst.

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Mit Blick auf heute und auf das, was im Laufe der letzten Jahre passiert ist in Sachen Frauen am Kommentatoren-Mikro, darf man sich ruhig verwundert die Augen reiben wenn nicht gar enttäuscht sein, oder? Wie siehst du die Entwicklung?
Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht auch mal darüber nachgedacht hätte, dass es auch mal schön gewesen wäre, ein Erstligaspiel kommentieren zu dürfen. Ich habe aber auch immer das Gefühl gehabt, dass es noch viele Dinge gab, die ich noch hätte lernen können oder wollen. Ein Kommentar ist sowieso auch in erster Linie Geschmackssache. Als Ingolstadt in der ersten Liga war, hätte ich sie genauso gut kommentieren können wie in der zweiten Liga. Ich glaube, da wäre nicht viel falsch gelaufen. Aber ich bin auch niemand, der zum Chef geht und sagt: Ich möchte jetzt bitte. Das ist einfach nicht mein Ding, ich werde nicht drum betteln.

Jetzt machst du weiterhin Sport, aber auch Lokalfernsehen. Wie gefällt dir diese neue berufliche Zweiteilung?

Es ist perfekt für mich. Natürlich würde ich auch mal wieder gerne etwas mehr Tennis machen, das hat immer super viel Spaß gemacht mit all den Kollegen, Marcel Meinert zum Beispiel. Allein die Chance zu bekommen, war toll. Mit Novak Djokovic führt man ja auch nicht jeden Tag ein Interview. Das habe ich gern gemacht und das hätte ich gern weitergemacht. Andererseits lebe ich privat aktuell genau dort, wo ich gerne sein will. Das konnte ich vorher zwar auch, war aber mehr unterwegs. Ich mag meine Heimat einfach unheimlich gerne und ich finde es spannend, die immer noch neu zu entdecken.

Nach der Zeit bei Sky habe ich gemerkt: Man kommt aus dieser Fußballblase wieder heraus. Vorher glaubt man, dass das das Wichtigste ist. Ich bin sehr dankbar über die Lokalzeit beim WDR gerade.

Aber du kannst uns nicht erzählen, dass wenn man Djokovic interviewen kann und dann von heute auf morgen wieder Lokales macht, dass das total toll ist. Oder?
Jein. Mir hat das auf einer anderen Art und Weise viel gegeben, das klingt jetzt vielleicht blöd, aber ich führe jetzt wieder ein Leben. Ich habe vorher schon sehr im Job gelebt. Und ich will es jetzt auch nicht nur auf die Frau schieben – auch Männer haben eine Menge Druck, aber wenn du als einzige Frau in der zweiten Liga kommentierst, da läuft ja auch nicht immer alles super. Ich bin da auch wie ein Sportler, ich gehe wie Alexander Zverev vor dem Match früh ins Bett. Da habe ich oft vergessen, parallel zum Beruf mein Leben zu leben. Meine Freunde haben mich gefühlt zwei Jahre nicht gesehen. Ich habe aber erkannt, dass mir Familie und Freunde wichtiger sind, als irgendwo beruflich ganz oben zu stehen.

Nun hast du dir mit dem Journalismus eine Branche ausgesucht, die zunehmend auch geprägt ist von Flexibilität und Wandel. Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die sagen: Dort, wo die Bundesliga-TV-Rechte sind, da muss ich hin, der Zirkus zieht weiter und ich hinterher. Das scheint für dich kein großer Faktor zu sein….

Nein, überhaupt nicht. Ich kann die Kollegen aber verstehen. Wenn das dein Leben lang dein Job ist, muss ich dorthin, wo ich den Job ausüben kann. Jeder muss seinen eigenen Weg gehen.

Welchen Weg gehen die Sender aktuell? Mit dir, Christina Rann und Anna Sara Lange haben gleich drei Frauen den Sender Sky 2017 & 2018 in kürzester Zeit verlassen, obwohl die Entwicklung – mehr Frauen im Sport – doch eigentlich eine gute und richtige war.
Ich kann nicht für Andere sprechen, ich kann nur für mich sprechen. Ich hatte bei Sky noch Vertrag, aber für mich war klar: Ich will einen anderen Schritt gehen, ich will etwas anderes machen.

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