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„Spiel doch da!“ – Warum Mertesacker als Co-Kommentator eine Bereicherung ist

Dortmund verliert mit 0:3 gegen die Spurs in Wembley. Für alle Zuschauer, die das Spiel in der Einzeloption verfolgt haben, dürfte es trotzdem ein unterhaltsamer Abend gewesen sein, denn DAZN-Allzweckwaffe Per Mertesacker stand nicht nur wie gewohnt als Experte bereit, sondern auch als Co-Kommentator – und in dieser Kategorie hat er so etwas wie ein Tor in eine neue Welt aufgestoßen, findet unsere stets gut weggeschlossene Allzweckwaffe Cord Sauer.


Was für ein denkwürdiger Abend in Wembley. Ein Abend, der nicht zwingend aus sportlicher Sicht in die Geschichte eingehen dürfte (es sei denn, man ist Hardcore-Spurs-Fan), dafür aber aus sportjournalistischer Sicht. Denn spätestens, als Per Mertesacker neben Head-Kommentator Jan Platte höchst unzufrieden und gefühlt persönlich verärgert raunte: „Geh‘ doch ins Eins-gegen-Eins, Mensch!“ – war klar: Da oben am Kommentatorenplatz sitzt einer von uns. Einer, der auch mal schimpft und aus dem es herausplatzt, wenn ein Spielzug oder eine Spielszene mal nicht so läuft, wie sie vielleicht idealerweise laufen sollte.

In diesem verrückten Internet kursierte vereinzelt schnell der Spitzname Pöbel-Per, doch der wird Mertesacker wirklich nicht gerecht. Denn: Diese emotionalen Ausbrüche („Spiel doch da! In die Mitte!“), wie sie jeder vom heimischen Sofa oder vom Zuschauen der eigenen Thekentruppe kennt, blieben tatsächlich eher die Ausnahme eines sonst wie gewohnt unaufgeregten Kommentars. Und vielleicht hat Mertesacker damit ganz unbewusst eine neue Ära des Spielkommentars eingeläutet: Angenehme Expertise, vornehme Zurückhaltung gepaart mit belebender Emotion und punktuellem Pöbel – zwei Seelen in einer Brust quasi oder aber: Dr. Jekyll and Mr. Merte.

Eine kurze Einordnung: Kommentatoren, bei denen schnell die Emotionen hochkochen, die ekstatisch aus dem Sattel gehen oder uns bei jeder zweiten Strafraumszene die Lauscher wegschreien, sind wahrlich keine Weltneuheit mehr. Neu aber ist, dass ein als ruhig und gelassen bekannter Typ wie Per Mertesacker on air aus sich herauskommt und damit offenlegt, dass der Fußball ihn genauso packt und emotionalisiert, wie uns Fans und Zuschauer zuhause. Dass man mitgeht, dass man auch mal grantelt oder schimpft – ist das normalste der Welt wenngleich es bis dato nie so wirklich etwas im Sportjournalismus zu suchen hatte.

Maximal ein Marcel Reif war zu seiner aktiven Zeit persönlich beleidigt, wenn die Mannschaften unten auf dem Rasen fußballerische Magerkost aufboten – und das ließ er dann auch gerne durchblicken („Bei aller Liebe, das ist ein ganz schlechtes Spiel“, „Das ist ärmlich, was beide Teams hier zu bieten haben, erstaunlich undramatisch.“). Mertesacker fand beim CL-Spiel in London eine gute Mischung: Fachlich auf den Punkt, wie er bei Gegentoren die Abwehrfehler erklärte – im nächsten Moment aber wirkte er fast schon angepisst, als der Schiedsrichter das Foul an Jadon Sancho (37.) nicht pfiff und dem BVB so einen aussichtsreichen Freistoß verweigerte: „DAS IST DOCH FOUL!!“ 

Klar, dass diese offensivere Tonalität nicht ausschließlich auf Begeisterung und Zustimmung stieß – ein neuer Farbklecks in der Fußballberichterstattung war es bei Tottenham vs. Dortmund aber in jedem Fall. Bleibt nun nur noch die Frage, ob bei den Folgeeinsätzen stumpf drübergepinselt wird oder ob aus dem Farbklecks etwas wird, das vielleicht sogar bleibt. Getreu dem Motto: Ist das Kunst oder kann das weg – oder mit anderen Worten: „Spiel doch da!“


Von Cord Sauer
(bekannt für fußballerische Magerkost auf und neben dem Platz, Anm. d. Red.)

📸 Lukas Mengeler