hansarostockole 1
Foto: Picture Alliance + FUMS-Montage
  • MEINUNG
  • Gömmel
FUMS Magazin » MEINUNG » Gömmel » „Niemand bringt Hansa um“: Wie sich ein Verein zurückkämpft

„Niemand bringt Hansa um“: Wie sich ein Verein zurückkämpft

Hansa Rostock-Edelfan Marteria veröffentlicht nach über zwei Jahren Abstinenz ein neues Lied, der Verein erkämpft sich den zweiten Platz in der dritten Liga und ganz Deutschland schaut interessiert nach Rostock. Eine gute Woche für jeden Rostocker und jeden Hansa-Fan. FUMS-Koggenmaat Ole-Jonathan Gömmel über den Aufschwung seines Herzensvereins:


„Wenn ich will, tanz ich allein in meinem Stadion – Rundes, buntes Glück wandelt Trauer in Ekstase um.“ Mit etwas Fantasie könnte man die Zeilen aus Marterias neuer Single „Niemand bringt Marten um“ als Prophezeiung deuten. 177 Tage nach dem letzten Profifußballspiel vor Zuschauern, wird beim Hansa-Heimspiel gegen den Halleschen FC am Samstag ebenjenes buntes Glück wieder ins Rostocker Ostseestadion einziehen dürfen. Mit 777 Fans zwar nur ein Bruchteil derer, die den Verein gerne unterstützen würden – dafür aber die Ersten in ganz Deutschland. Am Donnerstagabend genehmigte die Mecklenburg-Vorpommersche Landesregierung den ersten Feldversuch für die Fanrückkehr ins Fußballstadion, der nun wegweisend für ganz Deutschland werden soll.


Info:

Trotz aktuell steigender Inzidenzwerte in Deutschland billigte die Landesregierung die Durchführung des Feldversuchs in Rostock. Die Entscheidung wird mit dem niedrigen 7-Tage-Inzidenzwert (22,9, Stand: 18.03) der Kreisstadt begründet – außerdem ist Mecklenburg-Vorpommern aktuell das einzige Bundesland, in dem die Infektionszahlen in den letzten sieben Tagen abnahmen. In Kombination mit Maskenpflicht, Abstandsregeln und Schnelltests, soll laut „NDR“ die App „Luca“ von den Zuschauern genutzt werden. Diese ermögliche im Falle von Infektionen eine unkomplizierte Nachverfolgung der Kontakte.


„Mit den Erkenntnissen und Erfahrungen aus den Abläufen am Spieltag wollen wir zugleich den Weg dafür ebnen, dass auch für andere Vereine und Veranstalter schnellstmöglich eine Zuschauer-Rückkehr möglich werden kann,“ heißt es in einer Mitteilung des Vereins an seine Mitglieder. Es seien sogar Offizielle anderer Vereine zu Gast, um vom Rostocker Konzept zu lernen.

Hansa in einer visionären Rolle? Seit ich denken kann, wird der Verein in der medialen Rezeption außerhalb Mecklenburg-Vorpommerns belächelt. Problemfans, Misswirtschaft und der ausbleibende sportliche Erfolg eines ehemals großen Vereins machen (aus meiner subjektiven Sicht) einen Großteil der Berichterstattung über Hansa aus. Dass sich seit dem Amtsantritt von Robert Marien 2016 jedoch vieles in und um den Verein geändert hat, wurde bis jetzt gerne ignoriert. Auch wenn ich mir persönlich manchmal eine stärkere Positionierung zu gesellschaftspolitischen Themen von ihm gewünscht hätte, hat der Vorstandsvorsitzende die Kogge in den letzten Jahren sportlich und finanziell wieder in die Nähe des angestrebten Fahrwassers manövriert.

Nicht zuletzt scheint dies auch eine Folge einer besseren Personalplanung zu sein. Jens Härtel ist nach Frank Pagelsdorf (2005-2008) der erste Hansa-Trainer, der länger als zwei Jahre im Amt des Cheftrainers walten darf. In mehreren Transferperioden konnte er mit Hilfe von Sportvorstand Martin Pieckenhagen seine Wunschspieler verpflichten und hatte anschließend genug Zeit, aus dem Rohmaterial eine Mannschaft zu formen. Diese Kontinuität zahlt sich aus. Das letzte Mal, das Hansa nach 28 Spieltagen über 50 Punkte auf dem Konto hatte, war in der Saison 2010/11 – die einzige Drittliga-Aufstiegssaison der Vereinsgeschichte.

Der Fokus, der nun auf Hansa liegt, ist sowohl eine Chance als auch eine Gefahr. Beim DFB-Pokal-Spiel im vergangen September hielten sich leider nur wenig Fans an die Vorschriften und das Hygienekonzept. Die Bedeutsamkeit der Situation scheint dem Verein jedoch bewusst zu sein. „…selbst das durchdachteste Hygiene-Konzept kann nur dann funktionieren, wenn es am Ende auch gelebt und erfüllt wird. Daher bitten wir alle, die die Chance haben, bei diesem Feldversuch dabei sein zu können, diese große Verantwortung gegenüber allen anderen Fans und Teilen unserer Gesellschaft immer im Hinterkopf zu behalten und uns bei der Umsetzung der Vorgaben und Maßnahmen zu unterstützen und aktiv mitzuwirken,“ heißt es in der Mitteilung an die Mitglieder.

Nach fast zehn Jahren dritter Liga, gesäumt von finanziellen Ängsten, sportlichen Misserfolgen und schlechter Publicity, tritt Hansa endlich positiv in den Fokus der Öffentlichkeit. Der schwierigen Vergangenheit zum Trotz kann der Verein nun sowohl sportlich als auch gesellschaftlich eine Vorbildfunktion einnehmen. Auch hier passt wieder eine Zeile aus Marterias neuer Single (– zumindest, wenn man „Marten“ durch „Hansa“ ersetzt): „Bin schon hundert Mal über mein Grab gesprungen – Ham‘ mich anvisiert, doch niemand hier bringt Marten um.“


Von Ole-Jonathan Gömmel