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Rummenigge und die Impfdebatte: Ein absehbares Missverständnis

Karl-Heinz Rummenigge wusste gefühlt schon immer mit seinen Aussagen zu polarisieren. Was in der Vergangenheit auch häufig unterhaltsam und debattenfördernd war, ist in der jüngeren Zeit jedoch zu einem anstrengenden Dauerzustand geworden, bei dem der Bayern-Boss von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen springt. Nach kontroversen Äußerungen im Doppelpass und eines eher unglücklichen Kommentars bezüglich des Katar-Ausflugs seines FC Bayern München, hat sich Rummenigge nun in die Impfdebatte eingeschaltet. Keine gute Idee – findet zumindest FUMS-Nordlicht Ole-Jonathan Gömmel…


Können Spieler des FC Bayern München Vorbilder bei der Impfung gegen das Coronavirus sein? Wenn es nach Karl-Heinz Rummenigge geht schon: „Lässt sich beispielsweise ein Spieler des FC Bayern impfen, wächst das Vertrauen in der Bevölkerung. Denn ich weiß als ehemaliger Fußballer, was der Körper für einen Sportler bedeutet: Alles ,“ sagte der Bayern-Boss am Dienstag im Gespräch mit Sport1.

Die Annahme, dass eine medial inszenierte Impfung von Bayern München-Spielern zu einem Vertrauenszuwachs gegenüber des Vakzins bei Impfskeptikern führt, scheint bei den Reichweiten der Spieler zwar möglich – konkrete Anhaltspunkte gibt es dafür allerdings nicht. Laut einer Umfrage des Hamburg Center for Health Economics sind in Deutschland aktuell 62 Prozent der Bevölkerung bereit, sich impfen zu lassen. Um der angestrebten Herdenimmunität näher zu kommen, bräuchte man wohl aber eine Quote von mindestens 70 Prozent (DER SPIEGEL). Folgt man Rummenigges Selbstverständnis, in dem der FC Bayern München anscheinend die moralische Instanz Nummer eins in Deutschland ist, könnten die fehlenden Prozent mit bayrischer Hilfe erreicht werden – eine kühne Mutmaßung.

Dass dieselben Spieler, die während der Hochphase einer weltweiten Pandemie unnötige Flugreisen antreten, um an noch unnötigeren, von Despoten ausgerichteten Wettbewerben teilzunehmen, als Vorbilder einer Impfkampagne dienen sollen, ist in der Welt des Bayern-Bosses scheinbar möglich, birgt jedoch ebenfalls eine seltsame Doppelmoral. Die gesellschaftliche Vorbildfunktionen von Klub-Mitarbeitern während der Pandemie herauszuheben, dann aber selbst 9 Monate lang nicht mal eine Maske vernünftig aufsetzen können, lässt Rummenigge ebenfalls nicht seriöser erscheinen.

Was würden die Vorschläge des Bayern-Bosses bei Umsetzung aber letztendlich bedeuten?

Rummenigge fordert zwar nicht direkt die vorgezogene Impfung von Bayern-Spielern, impliziert durch die Überlegung jedoch unterschwellig, dass er ein solches Szenario trotz aktueller Impfstoff-Knappheit durchaus begrüßen würde. „Wir wollen uns überhaupt nicht vordrängen, aber Fußballer könnten als Vorbild einen gesellschaftlichen Beitrag leisten,“ so der Funktionär. Bedeutet also, dass die Bewohner und Mitarbeiter von Pflegeeinrichtungen sowie alle Menschen über 80 ihre Impftermine nun freiwillig mit den Spielern des FC Bayern München teilen sollen, weil diese einen höheren gesellschaftlichen Beitrag damit leisten können? Wie so oft in letzter Zeit, scheinen Rummenigges Gedanken nicht ausgereift und voreilig ausgesprochen.

Auch wenn seine Intention eine Gute gewesen sein mag, kann Rummenigges unglückliche Formulierung in Kombination mit mangelnder Weitsicht auch Zweifel an seinen philanthropischen Absichten aufkommen lassen. Geht es dem Bayern-Boss wirklich um die kollektive Gesundheit? Oder verfolgt er nicht doch in erster Linie betriebswirtschaftliche Ziele, die durch eine Impfung der Akteure des Profifußballs gefördert werden könnten? Hat er eventuell, unter dem Vorwand, einen gesellschaftlichen Beitrag leisten zu wollen, das Körperbewusstsein und die Vorbildfunktion seiner Spieler als Instrument verwendet, um den Fußball als Motor seiner kapitalistischen Interessen mit Öl zu füttern? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…

Wie auch immer Rummenigge seine Worte am Ende meinte: Nach einer ganzen Reihe unglücklicher Kommentare, sollte der Vorstandsvorsitzende des einflussreichsten deutschen Fußballunternehmens sich vor seinen Aussagen in Zukunft besser überlegen, wie diese verstanden werden könnten – ich hoffe auf den Lerneffekt.