Sky, DAZN & Eurosport: We have a stream!
Fußball to go ist der heiße Shit. Wer heute noch analog glotzt, ist längst ein Opa. Dabei leben wir zwar in Hightec-Zeiten, die Umsetzung der Streams ist aber teilweise noch mittelalterlich – findet unser Player Thomas Poppe und drückt die Leertaste für ein kleines Fazit in Sachen Netkicks.
Das EM-Halbfinale 1988 sah ich auf einem Zeltplatz. Ein Stunde vor Anpfiff stand eine Gruppe Männer vor einem Kasten-TV. Sie streichelten sich mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger hochtrabend über das Kinn und suchten mit jeder Minute bis zum Anpfiff etwas panischer mit der Antenne nach einem stabilen Bild. Mit Bierkästen, einem Stock und der regional sogenannten „Worschdkordel“ schafften sie es irgendwie und ich konnte sehen, wie Eike Immel den Grätschschuss von Marco van Basten nicht mehr erreichen konnte und der Erzfeind ins Finale einzog. Das Bild war unter heutigen Gesichtspunkten so schlecht, dass selbst Frank Rijkaard die Spucke wegbleiben würde und dennoch wäre man heute – 30 Jahre später – manchmal froh über die Zeltplatzkonstruktion von damals.
Streaming ist natürlich super. Im Schwimmbad die Bundesliga-Konfi schauen, beim Elternabend im Kindergarten heimlich die Galavorstellung der Bayern in Athen bewundern und außerdem noch parallel zum TV-Spiel die Doppelbeschallung am Tablet genießen. Feine Sache. Allerdings leben wir gerade in Zeiten, in denen die Wunder dieser Technik weniger ausgereift sind als die Trainerentlassungen beim HSV. Bei Eurosport sind sicher heute noch einige Techniker wegen der ersten Bundesliga-Übertragung 2017 in Therapie. DAZN versaute vielen Fans den Classico mit Problemen und Sky zeigt während einer Live-Übertragung erst mal drei Minuten Werbung, bevor du überhaupt schauen kannst – von der Idee, SkyGo auf dem Browser zu deaktivieren, bevor die App als Alternative funktioniert, will ich gar nicht erst anfangen. Und so ist die Frage „Läuft der Stream?“ dann tatsächlich manchmal spannender, als das Spiel selbst.
Spoiler-Sport Fußball: Zeitverzögerungen im Stream nerven
Der Second Screen ersetzt heutzutage die Kneipe, die wegen Mondpreisen kaum noch Live-Kicks zeigen kann. Blöd nur, wenn die Twitter-Timeline das 1:0 bejubelt, während bei dir am Bildschirm noch der Gegner im Ballbesitz ist. Spoiler-Sport Fußball. Ob der Kicker die Push-Nachricht schneller schickt, als der Stream das Tor zeigt, ist bereits ein beliebtes Trinkspiel geworden. Dass man auch offline Probleme bekommt, durfte ich während der WM erfahren. Im Krankenhaus hoffte ich auf den Ausgleich gegen Mexiko. Im Biergarten um die Ecke jubelt aber niemand. So war bei jedem Angriff schon 30 Sekunden vorher klar: Das wird nix! Es fühlt sich an, als hätte mir jemand vor „The Sixth Sense“ in der Kassenschlange „Übrigens, Bruce Willis ist schon tot – die ganze Zeit!“ ins Ohr geflüstert.
Fernab der Zeitverschiebung nervt noch etwas: Die Probleme mit den Rechten. Was für den Bundestag gilt, gilt auch für den Fußball:
Die Öffentlichen wollen den Wahnsinn nicht mehr mitmachen, Sky lässt sich die Rechte nach und nach abnehmen, um dann doch wieder anzugreifen und Eurosport will auch dabei sein, während DAZN das Web dominiert, aber im linearen TV nicht stattfindet. Drei Anbieter für Live-Spiele eines Vereins? Vor fünf Jahren undenkbar, heute vielleicht erst die Spitze des Eisbergs.
DAZN, Eurosport-Player, Sky Bundesliga und Sky Sport für die Champions League – wer Lewandowski überall sehen will, muss bald verdienen wie Lewandowski.
So bleibt dann so manchem Fan nur noch der illegale Stream eines Saudi-Senders im Netz. Während Reus mit einem Bein im Abseits steht, stehst du als Fan mit einem Fuß im Knast. 2013 wurden die Übertragungsrechte noch für 440 Millionen an die ARD und Sky vergeben. Fünf Jahre später gingen die Lizenzen an Sky/Eurosport/ARD/ZDF/Sport1/Amazon/Perform für insgesamt 1,159 Milliarden über den Tisch. Inklusive Auslandsvermarktung sogar 1,5 Milliarden. Wenn das so weiter geht, kann man sich ausrechnen, was man bald für das Gesamtpaket als Nutzer hinlegen muss. Manchmal wünsche ich mir einfach nur diese wackelige Antennen, den Kasten-TV und den Zeltplatz zurück – dann aber bitte mit einem anderen Sieger als Holland.
Von Thomas Poppe
(hat jederzeit Zugang zu Kasten-TV, stinkigem Festivalzelt und warmem Dosenbier, liegt alles auf dem FUMS-Dachboden, Anm. d. Red.)