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Super League? Dann geht doch, aber ganz!

Wäre die Bundesliga eine WhatsApp-Gruppe, dann hätte der FC Bayern den Chat gerne verlassen – hatte aber keine Admin-Rechte. Und so steht uns wohl „nur“ eine Super League bevor. Mit einem Dutzend erlesener Teams inklusive einiger Gäste, wie der SPIEGEL gerade dank neuester Football Leaks-Recherche bekannt gab. Für manche Fans vielleicht ein Grund zum Jubeln, nicht aber für unseren Bayern-Bazi Thomas Poppe, der so sauer ist, dass er die Bayern jetzt erst recht aus der Liga werfen würde.


Man kann es sich eigentlich ganz gut vorstellen: Kalle und Uli sitzen zusammen beim Filmeabend, Brazzo holt gerade Getränke und Chips, als Hoeneß beginnt, sein Herz auszuschütten. Die Liga wäre nicht auf ewig ein Selbstläufer, die paar Millionen mehr pro Jahr kein sicherer Vorsprung, Stars würden ja auch keine mehr kommen wollen und wenn man sich einen zweiten Klinsmann ins Haus holt, wackelt am Ende die CL-Quali und die Abwärtsspirale beginnt. Da kommt Kalle eine Idee. Zack, WhatsApp-Gruppe gegründet, Roman Abramowitsch wieder rausgeworfen, weil er ständig Spaßfotos gepostet hat und fertig ist die neue Champions League. „Uli, das Beste an der Sache: Wir sind dabei. Immer. Automatisch! Und wir werden so unfassbar reich!“ Da kommt Brazzo aus der Küche und sagt: „Super Liga, den Film würd ich gern schauen! Mit den Superhelden! Oder halt, der heißt ja Justice League!“

Irgendwie kann man als Bayern-Fan nur noch den Kopf schütteln. Es war ja klar, dass das alles mal wieder schlechter werden muss. Nach den Jupp-Jubeljahren mit dem Triple, den perfekten Pep-Fußball und einem WM-Titel, der auch einer Bayern-Achse zu verdanken war. Aber dass man direkt den Free Fall-Tower nach unten nutzt, war auch nicht abzusehen. Die Bayern, „meine Bayern“, wollen eine neue Super League gründen und sich selbst als Stammgast einladen. Eine Idee, die schon seit gefühlten 20 Jahren die Runde macht und im Prinzip sogar ein paar reizvolle Ansätze birgt.

Dass die Bayern aber die Bundesliga verlassen wollten, dass sie prüfen ließen, ob man Spielern die Nationalmannschaft einfach verbieten darf, dass man jetzt notgedrungen dem lästigen täglich-Brot-Geschäft erhalten bleibt und „nur“ die Champions League ersetzt, das zeigt, dass die Führung dieses Vereins dringend mal Tipps bräuchte, wie man wieder „down to earth“ kommt.

Eine Bundesliga ohne Bayern? Man kann es sich kaum vorstellen…
…aber es wäre schneller normal als die Umbenennung von Raider in Twix. Der Borsigplatz wäre auch ohne Bayern als Rivalen beim Titelgewinn überfüllt, Frankfurt wäre auch bei einem Pokalsieg gegen Bremen drei Tage lang im Ausnahmezustand und man stelle sich mal vor, Schalke würde das Unvorstellbare schaffen. Als ob dann jemand sagen würde: „Wir haben so lange darauf gewartet, aber ohne die Bayern können wir uns nicht darüber freuen.“ Lächerlich. Dass die Bayern-Obrigkeit die Bundesliga aufgeben wollten – den ehrlichsten aller Titel, das Tagesgeschäft, das Traditionsprodukt schlechthin – zeigt, wie egal ihnen das alles längst geworden ist. Ein wenig fühlt es sich an, als würde jemand seine liebenswerte Ehefrau für ein Model sitzen lassen, dessen Charakter er nicht kennt. Willkommen im Tindergarten!

Kann man das Essen noch genießen, wenn es jeden Tag das Leibgericht gibt? Heute Real Madrid, nächste Woche Paris, übernächste Woche Manchester City – die Normalität des Besonderen wird schnell erreicht sein. Dazwischen immer die lästigen Pflichtaufgaben gegen die Pöbel der Liga.

Die NFL-isierung des europäischen Fußballs steht an und wird sicher auch ein paar Highlights auf Super Bowl-Niveau liefern. Dass damit ein Produkt für den Weltmarkt und nicht für den heimischen Fan geschaffen wird, sollte allerdings auch jedem klar sein. Spiele außerhalb Europas, ein Anstoß um 3 Uhr in der Nacht und weitere Pay-TV-Kanäle sind da sicher nur drei Beispiele der Nebenwirkungen. Und klar muss auch sein: Die Bayern werden in einem solchen Konstrukt noch unantastbarer als zuvor. 500 Millionen Einnahmen pro Jahr. Ohne Angst, die Qualifikation zu verpassen. Es wird ein weiterer Turbo-Booster für den finanziellen Wahnsinn im Profi-Fußball.

Und mit Blick auf das ursprüngliche Vorhaben muss selbst ich als Bayern-Fan wütend sagen: DANN GEHT DOCH, ABER GANZ!

Für mich, der seit über 30 Jahren Bayern-Fan ist, wird es ein weiterer Tropfen ins Fass der Entfremdung. Natürlich bleibe ich Fan. Der Reflex des Mitfieberns, wenn diese Mannschaft auf dem Rasen steht, lässt sich nicht einfach abstellen, wie es neulich ein Spiegel-Autor behauptet hatte. Aber die Flamme der Leidenschaft wird immer kleiner. Für mich, der mit 15:30-Uhr-Spielen im Radio und dem Premiere-Topspiel im Sportheim aufwuchs, geht der Sport wieder ein großes Stück weiter weg von meinem Idealbild. Für meinen Sohn, der gerade mal fünf Jahre alt ist, wird es das Normalste auf der Welt sein. Am Wochenende Bundesliga, Mittwoch Super League. Die Meister in einer anderen Liga, der Rest in der Europa League. Er wird sich dann in 30 Jahren wundern, weil China und Saudi Arabien mit Teams voller Weltstars mitmischen will und fragen, was nur aus dem Fußball geworden ist, den er einst so toll fand. Und natürlich, wenn Schalke das erste Mal Deutscher Meister wurde.


Von Thomas Poppe
(prüft seit Jahren, ob er FUMS verlassen kann, um sich den sogenannten Super Autoren anzuschließen, passiert aber vorerst nicht, Anm. d. Red.)