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Swag mich doch am Arsch!

Ribéry futtert Goldsteak, Balotelli geht beim Torjubel auf Insta live und Leroy Sané kommt im 25.000 Euro-Outfit zum Treffpunkt von #DieMannschaft. Der Aufschrei ist immer groß. Aber warum eigentlich, fragt sich unser Fashion-Victim Thomas Poppe, dem das Outfit von Fußballern eigentlich Jacke wie Hose ist.


Wir leben in einer Fußball-Welt, in der alle nach echten Typen lechzen. Mario Basler erntet für noch so billige Stammtischphrasen Applaus – er ist ja schließlich einer von diesen letzten Originalen, die es leider heute nicht mehr gibt. Gleichzeitig wird der Unmut aber groß, wenn sich doch mal eines der zarten Persönlichkeits-Pflänzchen aus der aalglatten Profiwelt streckt und den Kopf über Norm reckt. Was macht der denn? Wie kann der nur? Soll erst mal Leistung zeigen! Und wenn er Leistung zeigt, wie gut wäre der dann erst ohne den ganzen Kappes?

Die Wahrheit ist doch, dass es extravagante Swagonauten in jedem Jahrzehnt gab. Paul Breitner und Uli Hoeneß ließen sich in den Siebzigern auch ganz gern mal mit behaarter Brust und knappem Höschen auf dem Sportwagen knipsen. Tomasz Hajto, auf Schalke und in Duisburg als Arbeitstier verehrt, trug wegen seiner Versace-Vorliebe den Spitznamen „Gianni“ und verprasste nach eigenen Angaben rund fünf Millionen Euro. Polnischer George Best quasi. Günter Netzer hatte wahrscheinlich mehr Frauen und Ferrari als Tore und Titel. Und er hat viele Buden gemacht und einige Pokale gewonnen. Selbst in den 50ern gab es schon Spieler, die weit über Durchschnitt lebten. Damals bedeutete das einfach nur, überhaupt ein Auto, ein Haus und einen Fernseher zu haben. Der große Unterschied zu heute: Es hat halt keine Sau interessiert und sieht im Rückblick normal aus.



Popstar in verrückter Kutte? Trendsetter! Aber wehe, ein Fußballer….

Noch paradoxer wird es, wenn man sich Filmstars oder Musiker betrachtet, die ähnlich unterwegs sind. Niemand würde auf die Idee kommen und sich das Maul über das Outfit eines Popstars oder eine Oscar-Preisträgers zerreißen. Im Gegenteil. Trendsetter sind das dann. Dabei ist das Leben eines Kickers längst das eines Popstars geworden. Mit engem Terminkalender, Dauerpräsenz auf allen Ebenen, null Privatsphäre und möglichst vielen Erfolgen bei maximaler Vermarktung. Wenn dann mal ein Balotelli das Handy beim Torjubel auspackt – ohne wirklichen Werbewert, sondern einfach, weil er halt ein wenig bekloppt ist – dann ist der Fußball gleich kaputt. Der Fußball, bei dem man früher über Mario Basler lachte, der bei der Ecke den Schlapphut eines Fans aufsetze. Der Fußball, bei dem die Bruchweg Boys aus Mainz gefeiert wurden, weil sie nach Toren an der Eckfahne eine Band imitierten und bei dem diese coolen Isländer Youtube mit immer verrückteren Jubelposen durchspielten. Der Fußball, bei dem wir Roger Miller so liebten, weil er an der Eckfahne tanzte. Ach hätten wir heute doch so tolle Typen.

Out of the Tellerrand
Die große Pointe an der ganze Sané-Nummer ist, dass er sein 25.000 Euro-Outfit nicht mal selbst gezahlt hat. Obwohl er es natürlich locker könnte. Mit jedem Empörungspost und jeder Debatte über fehlenden Realitätsbezug passiert das, was die Firmen über den Werbeträger Sané erreichen wollten: Aufmerksamkeit. Dabei sind wir selbst die ersten, die im Privatleben die Werbetrommel rühren, wenn uns mal etwas out of the Tellerrand passiert: Star getroffen? Selfie machen, ab auf Insta! Ribéry zahlte für sein Steak keinen Cent. Mal ehrlich, wer von uns würde nicht ins Steakhaus gehen und ein 80 Euro-Teil verputzen, wenn die Gegenleistung ein Foto auf Facebook und eine kleine Insta-Story wäre? Kommt darauf klar: Mario Basler war Leroy Sané in langsamer und mit schlechterem Modegeschmack. Und Günther Netzer? Der wäre unter dem Mantel Oberkörper frei gewesen. Und ein bisschen geil ist es doch schon, wenn Ronaldo trifft und ein ganzes Stadion „SIIIIIIIIIIIIII“ schreit, wenn er zum Jubel abhebt. Oder?

Ich bin ehrlich. Ich kann mit vielen Dinge auch nicht mehr so viel anfangen wie früher. Der Style von Jérôme Boateng wird nie den Weg in meinen Kleiderschrank finden und über den Fornite-Tanz von Griezman hab ich mich sogar aufgeregt. Aber eben nur, weil er direkt vor dem Gästeblock stattfand. Weil ich Dinge nicht mehr geil finde, heißt das aber noch lange nicht, dass sie nicht cool, angesagt oder erfolgreich sind.

Ich würde lieber ein Lagerfeuer mit meinem linken Hoden löschen, als mir ein Konzert von Capital Bra anzuschauen. Aber der Junge hatte bisher 10 Nummer-1-Hits in Deutschland. Was soll ich da sagen? Genauso wie Leroy Sané so verdammt gut kicken kann, dass er für Manchester City und Deutschland spielt und so krass den Swag aufdreht, dass er eine Jacke im vierstelligen Wert geschenkt bekommt und sie dann noch linksherum trägt. Ja, auch Sané nervt mich. Aber eigentlich nur, weil er das bekloppte Teil anziehen kann und darin auch noch ziemlich stylisch aussieht. Mich würden in so einem Mantel alle auslachen. Sogar an Karneval. Besserer Kicker als ich, größerer Swagger als ich – ungerechte Welt. Geh‘ mir weg mit diesen Typen!


Von Thomas Poppe
(die Nummer mit dem Lagerfeuer und dem linken Hoden würden wir gerne asap sehen, Anm. d. Red.)