Interview Wagner
Foto: Philipp Behrendt für FUMS
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Thomas Wagner: „Mit Ü50 kannst du nicht mehr bei jedem kleinen Umtrunk mit dabei sein“

Thomas Wagner kennt das Fußballbusiness wie seine eigene Westentasche: Als Moderator und Reporter steht er bei Sky, Magenta, RTL und Eurosport seit Jahren vor der Kamera und zählt zu den beliebtesten TV-Gesichtern im Sport. Im FUMS-Interview spricht er mit uns über seinen Blick auf die aktuelle Medienlandschaft, sperrige Weggefährten, Thailand mit Claudia Obert – und klärt auf, warum man mit Ü50 nicht mehr jeden Zapfhahn persönlich begrüßen muss.


Thomas Wagner, schön dass das hier klappt…
Ich habe zwar eigentlich in dieser Woche überhaupt gar keine Zeit, aber so ist das manchmal. Ich habe gestern mal selber überlegt, ich war Freitag in Hannover, am Samstag für Sky in Freiburg gegen Dortmund, am Sonntag RWE an der Hafenstraße, gestern Sky Glanzparade, Dienstag Saarbrücken, dann einen Tag frei, da gehe ich zum Eishockey, Donnerstag Spurs gegen Frankfurt, Freitag HSV, Samstag Bochum, Sonntag Mannheim, Montag Glanzparade.

Das trifft direkt eine unserer Fragen: Du wirst ja auch nicht jünger. Wie machst du
das alles?

(lacht laut auf): Das ist aber mal ein Einstieg! Also wenn die Fünf davor steht, das wird nicht einfacher. Also in der Zeit musst du natürlich versuchen, einigermaßen zu schlafen. Ganz wenig Alkohol und viel Sport. Zehn Städte in elf Tagen, das kannst du sonst nicht schaffen.

Thomas Wagner
©️ Foto: Thomas Wagner

Freunde und Branchenkollegen nennen dich Wäggi: Wie schreibt man das und wie
doll musst du deinen Fleischkonsum reduzieren oder bist du eh längst VEGGY
unterwegs?

Ich hatte eigentlich nie so einen richtigen Spitznamen im klassischen Falle aber dieses Wäggi, also W,Ä, Doppel G,I, das hat sich vor allem bei der jüngeren Generation, mit denen ich bei Sky oder Magenta zusammenarbeite, so eingeschlichen. Ich muss hier aber nichts reduzieren, ich esse nach wie vor sehr gerne mein Steak und die Stadionwurst.

Richard, Franz-Josef, Sandro, Pizza: Man hat’s nicht leicht als Wagner und dann
heißt du auch noch Thomas: Wie sticht man heraus und oder: Hast du mit deinem
Allerweltsnamen je gehadert?

Ihr habt natürlich recht, also Thomas Wagner ist natürlich so ein deutscher Durchschnittsname. Ich würde sagen, ich bin von der Natur aus beschenkt mit 1.95m Körpergröße, aber wenn ihr von Rausstechen sprecht: Jeder muss irgendwie seinen Weg gehen, ich war immer total fußballbegeistert und habe ein ganz gutes Gedächtnis, habe mir vieles angeeignet. Meine TV-Ehefrau Laura Wontorra hat mich immer „Wäggipedia“ genannt, das war ein netter Spitzname.

Laut unseren Berechnungen bist du 29 Jahre im Sportjournalismus unterwegs. Wie
alt fühlst du dich und wie sehen deine nächsten 29 Jahre aus?

Ich bin sehr dankbar, dass ich in dieser Branche aufgewachsen bin, und ich glaube, ich bin
sogar noch rechtzeitig gekommen, diese ganze Goldgräberstimmung so ein bisschen
aufzusaugen. Ich habe mein erstes großes Fernseh-Praktikum 1993 gemacht bei ran, bei
Reinhold Beckmann in Hamburg und bei Werner Hansch in Dortmund – ich war ein völlig unbedarfter Junge. (…). Montags sind zur Redaktionssitzung in Hamburg 150 Redakteure von Sat.1 eingeflogen. Es gab eine Konferenz in einem Riesenzelt und Reinhold Beckmann war so ein genialer Chef, was der alles konnte, wie der Fernsehen so auf den Kopf gestellt hat. Vorher kannte man ja eigentlich nur die „Sportschau“ und bei allem Respekt vor den Moderatoren und Kommentatoren, das war dann doch ein bisschen konservativer.

Das hat sich dann im Laufe der Jahre natürlich alles ein bisschen geändert, heute lassen viele ihren Frust doch an den Protagonisten im Fernsehen raus. Also wenn du was gegen die Bayern sagst, dann hast du direkt 700 Beleidigungen unten drunter stehen. Du konntest früher tatsächlich auch mit den Spielern abends noch weggehen, das hat dann keinen interessiert, weil es keine Fotos davon gab. Und die ganz große Zeit des Fernsehens an sich, die ja so in den 60er, 70er Jahren begonnen hat, die mit dem Privatfernsehen in den 90ern, Anfang der 2000er so seinen Höhepunkt gefunden hat. Ich glaube, da muss man konstatieren, das geht leider langsam abwärts.

Aber Thomas Wagner bekommt sich morgens noch aus dem Bett und ist noch heiß
und motiviert?

Ja. Manchmal denkt man morgens um 7 Uhr: Es muss heute nicht unbedingt Saarbrücken sein, 300 Kilometer. Aber wenn man dann daran denkt, bei schönem Wetter dahin zu fahren, mit Strassi [Christian Straßburger, Anm. d. Red.] und noch einem Kollegen, dann kriegt man auch schnell Lust. Ich habe auf meinen Job immer Lust. 29 Jahre werde ich das aber ganz sicher nicht mehr machen. Ich denke, ich möchte noch so drei bis vier Jahre on air sein und dann stärker hinter den Kulissen wirken. Mehr redaktionell arbeiten und auch mehr Kollegen schulen, das mache ich schon teilweise. Früher, wenn ich Freitag, Samstag, Sonntag gearbeitet habe, dann war ich Freitag noch auf einem Geburtstag und Samstag noch auf einem kleinen Umtrunk. Weil ich alles mitnehmen wollte. Da muss ich sagen: Das geht dann vielleicht nur noch einmal im Monat. Den Rest bist du froh, dass du auf der Couch sitzt. Mit Ü50 kannst du nicht mehr bei jedem kleinen Umtrunk mit dabei sein.

Thomas Wagner
©️ Foto: Thomas Wagner

Baller League, Icon League, Infinity League, Kings League. Ist das noch dein
Fußball? Sei ehrlich jetzt!

Ich sehe es mit Erstaunen, Ich denke, es hat seine Berechtigung, weil viele es einfach anschauen. Für mich persönlich ist es nichts, sage ich ganz ehrlich. Es ist für mich Fußball auf Oberliga-, auf Regionalliga-Niveau in der Halle, aber zu den meisten Mannschaften hat man keinen emotionalen Bezug. Es wurde zu Beginn gesagt, das könnte eine Konkurrenz für den herkömmlichen Fußball werden. Das sehe ich überhaupt nicht so. Ich finde auch für mich als Zuschauer ist das Niveau überschaubar, was da geboten wird. Ich finde es bemerkenswert, welche Leute da auftauchen bei den Turnieren, das muss
man dann auch mal respektvoll sagen, wenn dann einfach Dennis Schröder da irgendwie einen Korb wirft in der Halle. (…).

Mich erstaunt auch das Seh-Verhalten. Ich war bei einer der Eröffnungsveranstaltungen. Du hast gesehen: die Leute, die gucken gar keinen Fußball, die gucken auf ihr Handy. Also das ist schon erstaunlich im Gegensatz zu dem, wie wir früher das Ganze geguckt haben, aber alles hat seine Zeit. Ich habe drei Töchter im Alter von 20 bis 27, die können damit was anfangen.

Fies, aber wir wollen es wirklich wissen: Mit wem in 29 Jahren Sportjournalismus
konntest du so gar nicht gut?

Sehr schwer für uns Journalisten war immer Hans Meyer. Ich muss klar sagen: Der wollte Journalisten zu dieser Zeit auch schlecht aussehen lassen, das habe ich als unangenehm empfunden. Man kann auf eine dumme Frage auch eine dumme Antwort geben, aber wenn man in ein Gespräch reingeht und die Leute teilweise auflaufen lässt, das war dann schon auch unangenehm. Das habe ich ihm übrigens auch mal gesagt. Seit seinem Karriereende ist er total anders. Und er hat ja einen großartigen Humor, wenn er frei spricht. Wen ich auch schwer fand, war Jens Lehmann, der mit einem ein Gespräch geführt hat, als würde er darauf achten, dich bei jeder Gelegenheit korrigieren zu können. Als ich mit ihm dann später den Bundesliga-Samstagnachmittag gemacht habe, da saß er dann neben mir, da war es dann aber auch anders (lacht).

Was fehlt auf der Job-Bucketlist? Kanzlerduell? Deutscher Fernsehpreis? Oder
irgendwas mit Trash TV? Was würdest du gerne mal moderieren?

Also ich habe tatsächlich zuletzt mit einem Kollegen mal darüber geredet, dass wir dann ja auch schon lange dabei sind. Und dann habe ich mal nachgedacht und ich habe gearbeitet für RTL, für Sat.1, für das Deutsche Sportfernsehen, für Eurosport habe ich Olympia gemacht, jetzt schon zweimal für Sky

Thomas Wagner
©️ Foto: Thomas Wagner

Die Öffentlich-Rechtlichen fehlen…
…ja, die Öffentlichen, ganz genau. Was noch fehlt, ist die ARD und da muss man ganz ehrlich sagen: Das kann ich mir jetzt nicht vorstellen, weil die ja jetzt auch auf jüngere Leute setzen. Es gab mal vor 20 Jahren ein Gespräch. Also ARD und ZDF, die Kollegen machen einen herausragenden Job, aber ich werde es glaube ich nicht mehr dorthin schaffen. Was ich mir vorstellen könnte: Ich mag diese Talkshows in den dritten Programmen und habe immer sehr gerne „Zimmer frei“ mit Götz Alsmann und Christine Westermann gesehen. Das war für mich eine Sendung, da habe ich immer gedacht: Boah, sind die gut! Wenn die sagen würden: „Da gibt es eine Neuauflage und wir haben irgendwo bei FUMS gehört, dass der Wagner das geil findet, bin ich sofort am Start.“

Wir arbeiten dran, schönes Ding.
Wir werden uns auch über die Gage einig (lacht).

Apropos Gage: Wir hatten eben auch Trash-TV erwähnt. Kannst du kategorisch
ausschließen, dass wir dich jemals in einem dieser Formate sehen, also zwei
Wochen Thailand mit Claudia Obert, 80.000 € auf die Kralle, ja oder nein?

Ich würde sagen: Ganz klares Nein! Es interessiert mich noch nicht mal, wenn es jemand in meinem Umfeld guckt. Ich finde, das hat alles seine Berechtigung, aber da sehe ich mich nicht. Es gibt natürlich ein paar Formate – also wer mich Fußball spielen gesehen hat, der weiß: ich war eher von der rustikalen Sorte. Aber ob ich bei „Let’s Dance“ eine gute Figur abgeben würde, das weiß ich nicht. Das ist ja wirklich beste Abendunterhaltung. Mit Joachim Llambi habe ich schon ein paar Spiele moderiert, vielleicht frage ich den nächstes Mal einfach (lacht). Trash-TV wird es mit mir nicht geben.

Man muss ja auch sagen, dass du die 80.000 Euro locker mit einer Folge
Glanzparade drin hast…..

(Lacht) Sagen wir mal eher mit einer Woche.

Du bist Freelancer, trotzdem gibt’s eine Überraschung: Deine Vertragsverlängerung
bei Sky wird live im Format Glanzparade verkündet. Wie reagierst du? Wäre das
überhaupt möglich?

Also ich kenne das Management von Buschi [Frank Buschmann, Anm. d. Red.], das ist ein sehr gutes Management und ich war mit ihm vor zwei Wochen noch auf dem Berg, da hat er mir wirklich gesagt, dass er davon nichts wusste. Aber es ist ja klar, dass die vorher ein paar Eckdaten abgecheckt haben. Ich habe 24 Jahre alles alleine gemacht und habe jetzt auch ein Management, die auch für mich sprechen. Ich glaube aber nicht, dass meine Vertragsverlängerung bei Sky so groß gemacht werden würde, wie bei Buschi, aber das ist auch ok so. Was ich sagen kann, ist, dass es gute Tendenzen gibt, dass ich für alle vier Arbeitgeber, für die ich jetzt im Moment regelmäßig arbeite, dass es da auch weitergeht.

Thomas Wagner
©️ Foto: Thomas Wagner

Dein Social Media Game ist gar nicht schlecht. Wer macht das für dich?
(Lacht) Das ist ja ein großes Lob von euch! Tatsächlich mache ich das meiste selbst, gebe
aber ganz ehrlich zu, dass ich gerade Fotos oder Videos immer vorher in den Töchter-Chat mit reingebe und mir da das „Okay“ hole.

Viele Leute sagen: „Politik raus aus den Stadien“ – Kann nicht sein, oder?
Zu sagen, dass es keine Politik oder keine politischen Themen im Stadion gibt, das wäre nicht richtig, weil der Fußball mit all seinen Emotionen zum Leben gehört, und das ganze Leben hat etwas mit mit dem Miteinander zu tun und auch deshalb natürlich mit politischen Themen. Ich sage auch: Man muss nicht immer alles auf die Goldwaage legen, was im Stadion passiert. Dass aber Beleidigungen mittlerweile auch auf unterstem Niveau praktisch schon zum guten Ton gehören und dass man dann immer sagt: „Ja, aber das war ja im Stadion“, das sehe ich eigentlich nicht so.

Und ich finde, es darf auch ruhig sein, dass Vereine Farbe bekennen zu Dingen des alltäglichen Zusammenlebens. Was mich stört ist, wenn ich das Gefühl habe, dass Vereine fast zum Marketing-Gag werden, weil sie eine bestimmte Art, wie sie gesehen werden, bedienen müssen oder wenn sie Menschengruppen gefallen wollen. Dann weiß ich nicht, ob sie das aus eigener Überzeugung machen. Das finde ich ein bisschen schade. Und ich würde mir grundsätzlich auch wünschen, dass Spieler oder Verantwortliche einfach auch mehr frei Schnauze reden können und dass es eben so abgenommen und nicht alles redigiert wird.

Schnell noch zum Abschluss drei Ja- oder Nein-Antworten. Steigt der HSV auf?
Ich ziehe alle Joker, die ich habe: Ich kann diese Frage nicht beantworten, weil es einfach Unglück bringen kann und man als HSV-Fan zu sehr gebrandmarkt ist. In dem Fall erlaubt ihr mir, dass ich sage: Es sieht im Moment wirklich nicht schlecht aus. Ich finde, dass Merlin Polzin das ganz hervorragend macht, und auch, dass der Charakter in der Mannschaft stimmt. Aber es ist noch ein bisschen Strecke zu gehen.

Thomas Wagner
©️ Foto: Philipp Behrendt für FUMS

Der Klassiker: Menschen, die beruflich was mit Kommunikation machen, tun sich
immer schwer mit einfachen Ja- oder Nein-Antworten …
Ja, das ist in dem Fall mein Herzensklub, der mir so viele Nerven schon gekostet hat, dass
mich die Frage allein schon mit Puls zurück lässt….

Sehen wir Thomas Müller im August in England, Italien oder Spanien?
Nein.

Glaubst du, dass Sky aktuell schon an Mats Hummels baggert für einen
Expertenjob?

Da muss ich im Interesse von Sky antworten und ich sage: Ja.

Vielen Dank für das Gespräch.
Hat großen Spaß gemacht, ich danke euch!



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