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Das erste VAR approved Goal auf der Insel

FUMS goes Premier League. Unser Mann auf der Insel? Dominik Sliskovic. Hier schreibt er über britische Fußball- und Fankultur. Mal Prem, mal Pub. Vor allem aber immer ganz nah dran am Gegner – oder am Glas.


Die Briten sind schon ein sehr traditionsbewusstes Volk. Das zeigt sich nicht nur in der seit jeher praktizierten Tea Time, sondern auch im konstanten Ausscheiden im Elfmeterschießen bei internationalen Fußballturnieren. Eine weitere Tradition, von der sie einfach nicht lassen können, ist das Wiederholungsspiel. Während wir uns längst damit abgefunden haben, dass der Pokal seine eigenen Gesetze hat, kriegen in England große Clubs immer wieder eine Woche Zeit, um über die ach so unmöglichen Platzverhältnisse des Dorfackers zu flennen, auf dem sie es nur zu einem Unentschieden gebracht haben.

So auch Leicester City. 0:0 beim Drittligisten Fleetwood Town (übrigens jener Club, von dem ein gewisser Jamie Vardy damals nach Leicester kam…). Schon peinlich, aber immerhin ein Grund mehr, das Flutlicht anzuschmeißen, schließlich hat man ja nun Heimrecht. Das Logistik-Center-Charme versprühende King Power Stadium ist kaum zur Hälfte gefüllt an diesem Dienstagabend, aber die, die vor Ort sind, werden von dieser brutal öden Partie ihr Leben lang berichten können…

VAR-Time auf der Insel
Im FA-Cup gibt es nämlich im Gegensatz zur Premier League den Video Assistant Referee. In England sitzt der „Mann in Köln“ in einem Zwecksbau in Spuckweite zum Flughafen Heathrow und scheint mehr mit Plane Spotting beschäftigt zu sein als mit Fußball gucken. In keiner der Partien der diesjährigen Pokal-Saison kam er bisher zum Einsatz. Leicester-Stürmer Kelechi Iheanacho hatte in der 77. Minute den Ball über Fleetwoods herauseilenden Keeper gelöffelt, doch der Linienrichter entschied auf Abseits. Und dann? Auftritt Jon Moss. Der Referee mit der Kugelblitz-Ailton-Körperstatur wirkte im ersten Moment in etwa so verloren wie der Schiri im Wembley 1966. Ein Blick zur Seite, ein Blick auf die Anzeigetafel, ein Finger aufs Ohr.

Derweil durchliefen die Fans interessante Stimmungsstadien: Während in der ersten Minute von Moss‘ Unschlüssigkeit noch von einem frostigen Schweigen beherrscht wurde, war es dann ein sichtlich angetrunkener „Lad“ einige Reihen hinter mir, der die zweite Minute der Entscheidungsfindung einläutete. Die gute Kinderstube hinter sich lassend, war es besagter Typ im Jogginganzug, der die Leute von ihren Sitzen riss und sie dazu animierte, den Schiri nach allen Regeln der Kunst zu beleidigen. Irre! Der Senior neben mir versuchte derweil tapfer, seinem Enkel die Ohren zuzuhalten.

Heute noch! Heute noch!
Irgendwann, lange nachdem es selbst dem Rentner neben mir zu bunt wurde und er in einem Anfall von Werner-Lorant-Haftigkeit wild gestikulierend „Heute noch! Heute noch!“ Richtung Moss rief, entschied sich dieser, den Ball in die Hand zu nehmen – wohlwissend, eine Fehlentscheidung zu treffen. Verdammt, schien er zu denken, wie geht das jetzt? Wieder ein Blick zur Seite, wieder ein Griff ans Ohr. Dann, nach qualvollen zwei Minuten, zeichnete er mit seinen Fingern ein Tor in die Luft, blies in seine Pfeife und die englische Fußballgeschichte hatte ihr erstes „VAR approved goal“. Gut zu wissen, dass das Thema nicht nur uns in Deutschland Kopfschmerzen bereitet…


Von Dominik Sliskovic