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Ziemlich abgehoben: Warum gerade fast alle die Eintracht lieben

Unsere FUMS-Allzweckwaffe Thomas Poppe war am Donnerstag beim historischen Finaleinzug von Eintracht Frankfurt dabei. Eindrücke für ein ganzes Buch, komprimiert auf eine A4-Seite. Was die Adler gerade abhebt…


Man vergisst das immer so schnell, aber 2016 hat Haris Seferovic die SGE in der Relegation vor dem Abstieg bewahrt. Das ist sechs Jahre her. Vielleicht wäre Kovac nicht geblieben, die Büffel nicht gekommen, Berlin nie passiert, Chelsea nie passiert. Die erste Europa-Tour gab es nur, weil man in Berlin die Bayern schlagen konnte. Letzte Saison verzockte man die Champions League gegen Schalke, nur um diese Saison vielleicht genau deswegen die Qualifikation mit einem Europa-Pokalsieg zu schaffen. Das kannst du dir doch alles nicht ausdenken.

„Mit dem Jürgen. Für den Jürgen“, stand am Donnerstag auf der Eintracht-Startseite. Auch das Team hinter dem Team versteht Vieles, macht Vieles richtig. Im Stadion hängt ein Banner mit „Jürgen-Grabowski-Gegengerade“. Kein billiger Pathos. Die leben das, die fühlen das. Die alte Pressestelle war in der Alfred Pfaff-Straße 1, die neu ist „Im Herzen von Europa 1“. Ein extrem gelungener Spagat auf dünnem Eis. „Für die Offenbacher auf dem Rasen, die es noch nicht verstanden haben – ihr müsst runter, sonst kommt die Mannschaft nicht“. Irgendwie steckt da alles drin, was den Verein gerade unterscheidet. Nach dem Spiel stand Peter Fischer in einer Traube Fans. Umarmungen, Küsse, Selfies, immer wieder Luftsprünge im menschlichen 10er-Pack. Peter Fischer. Der gern mal zwei Gänge zu hoch losfährt, aber eben doch nie die Karre abwürgt. Da war dieser eine Fan im Rollstuhl, der die Reihe von Ordnern durchbrechen wollte, damit er zur Mannschaft kommt. Chandler im RTL-Interview. Einfach weggetragen von den Fans.

Alle Emotionen in der Eintracht

Die Fans. Die krasse Nordwestkurve. Diese Choreos. Aber es ist halt so viel mehr. Es ist auch und vor allem der Rest vom Stadion, der mitgeht, wie nichts Gutes. Nirgendwo kann Stimmung im Fanlager schneller von „Wir steigen ab“ zu „Europapokaaaaal!“ und zurück kippen. Nirgendwo in Fußball-Deutschland wird heißer geliebt und länger nachgetragen. Stand jetzt. Es war herrlich anzuschauen, wie viel Glück am Donnerstag aus den Gesichter so vieler Menschen geschossen ist. Dieser Mann um die Vierzig, der seinen Sohn und seinen Vater im Schlepptau hatte, als wir zur Isenburger liefen. Freunde, Diskussionen um die Aufstellung, wie kommen wir an Karten, ist das wirklich passiert gerade? Größer als Berlin wird es nicht, dachten viele. Fußball ist auch deswegen so groß, weil man Erwartungen bis ins Unmögliche übertreffen kann. Pokalniederlage in Mannheim, Auswärtssieg in Barcelona. In der Liga auf Platz elf, ungeschlagen in Europa.

Natürlich ist auch in Frankfurt nicht alles perfekt! Dass ein guter Teil der Ultras nach dem Sieg nichts besseres wusste, als vor dem West Ham-Block zu provozieren, statt den Sieg zu feiern, war zum Beispiel extrem idiotisch. Aber in Summe gibt dieser Verein gerade vielen Menschen den Glauben zurück, dass das mit dem Fußball auf der großen Bühne noch funktioniert mit den Märchen und dem Happy End.