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Hört auf mit den Handball-Fußball-Vergleichen!

In diesen Tagen, wenn die Bad Boys wieder die Herzen der Couch-Potatoes erobern, ist vor allem ein Loblied auf den Handball-Sport beliebt: „Viel geiler als Fußball!!!“. Dabei hinkt dieser Vergleich mehr als Neymar nach einer Schwalbe und wird weder dem Fußball noch dem Handball gerecht. Thomas Poppe – unser Mann mit zwei linken Händen und Füßen – fragt sich, warum man nicht einfach beide Sportarten geil finden kann.


Dass ich großer Fußball-Fan bin, sollte bekannt sein. Ich bin aber auch Handball-Fan, war lange Hallen-DJ beim TV Grosswallstadt irgendwann zwischen Europapokal-Finale und dritter Liga, verpasse kaum ein Heimspiel und habe in all den Jahren unfassbar geile Spiele gesehen und extrem geile Typen kennengelernt. Der Fußball, wie er auf höchstem Niveau passiert, hat heftige Macken – da mache ich mir nichts vor. Viel zu viel Geld wechselt den Besitzer, viel zu viel Theater wird auf und neben dem Platz gemacht und wo früher noch Typen regierten, steht heute der Berater mit dem Antwortkatalog neben dem Interviewer. Der Fehler, den viele machen: Wir reden beim Fußball von ein paar tausend Profis – gegen geschätzte 265 Millionen aktive Amateur-Fußballer weltweit, die einfach nur Bock auf Ball haben. Die unzähligen Ultras, die zu Tausenden durch Europa reisen, nicht mitgezählt.

Bei all der berechtigten Kritik an Verbänden, Millionären und Kommerz wird viel zu schnell vergessen, was der Fußball auch ist. Ein Sport, der verbindet, dem Religion und Herkunft egal sind, der den Anwalt und den Hilfsarbeiter auf Augenhöhe und gemeinsam mitfiebern lässt. Ein Spiel, dass so simpel ist, dass eine Blechdose und zwei Markierungen reichen, um es überall spielen zu können. Ein dickes Buch, dass immer wieder neue unfassbare Dramen und Komödien von Helden und Anti-Helden liefert, den kleinen Jungen aus der Gosse holen, aber auch den Millionär dort hin zurück verfrachten kann, wenn es vorbei ist. Wer aufhört, Fußball zu mögen, weil sich ein paar Jungs auf höchster Etage daneben benehmen, hat das Spiel nie verstanden und geliebt.

„Put your hands up in the air“

Wenn man wollte, könnte man sich auch über den Handball beschweren: Das Spielfeld tapeziert mit Werbebannern, die Stimmung mit Klatschpappen und Ballermann-Hits erzeugt. Aber warum sollte man das, wenn sich so ein paar Euro in die klammen Kassen spülen lassen und Menschen eine gute Zeit verbringen, wenn sie rhythmisch zu „Put your hands up in the air“ ein Stück Karton in ihre Hand schlagen? Und während man im Fußball erfolgreich gegen Montagsspiele demonstriert, gibt es in den Handballverbänden teilweise so schlechte Abstimmung, dass ein Verein am selben Tag Bundesliga und Europapokal spielen muss.

Aber dafür können die Handballer genauso viel, wie die Fußballer für das Schindluder von DFB, UEFA und FIFA. Freilich fallen beim Handball teilweise 80 Tore in einem Spiel und es ist immer etwas los. Dafür ist beim Fußball eben auch dieser eine Moment so besonders, der manchmal 90 Minuten auf sich warten lässt oder überhaupt nicht passiert und dafür sorgt, dass ein genialer Moment, ein Fehler oder ein Zufall alles auf den Kopf stellt. Vom Ribéry-Steak und den Versace-Outfits von Bob Hanning will ich erst gar nicht anfangen.

Was der Fußball vom Handball lernen kann

Ja, es stimmt schon, was Sophie Passmann in ihrer Ode an den Handball-Sport schrieb: Vollidioten findet man da selten. Und ja, man kann viel lernen und übertragen. Ein Regelwerk, dass Attacken auf den Schiri, das Sperren des Balles und Zeitspiel gnadenlos bestraft. Schauspielerei gibt es quasi nicht, beim ersten Angriff gibt es High-Five mit dem Gegner, nach dem Spiel treffen sich die Teams in der Mitte und schlagen ab, bodenständige Typen, bis in die höchsten Spielklassen. Wobei die sicher auch weniger werden würden und die Aussagen durchdachter, wenn Werbepartner und Gehälter im achtstelligen Bereich hinter einer ehrlichen Aussage ins Wanken geraten. Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass es zwei geile Sportarten sind, die leider völlig unterschiedlich im Mittelpunkt stehen und vielleicht auch deswegen nicht auf dem Top-Niveau sondern nur an der Basis miteinander vergleichbar sind. Und genau da bleibt beides ein guter Sport, der Kids von der Straße holt, Freundschaften entstehen lässt und Dinge wie Teamgeist, Respekt und Fair Play lehrt.

Manchmal hab ich das Gefühl, der Winter ist in Sportarten unterteilt. Im Dezember ist Darts, Januar ist Handball, Anfang Februar ist Super Bowl und wenn Angie Kerber sich Mühe gibt, manchmal auch Australian Open. Ich fänd‘ es geil, wenn Handball auch nach WM und EM so viel Aufmerksamkeit erfahren würde, wie Fußball. Wenn mehr Leute kämen, zum ehrlichen Sport in miefigen Dreifachturnhallen. Am 9. Februar sitze ich wieder beim TV Grosswallstadt, obwohl zeitgleich „meine“ Bayern gegen Schalke ran müssen. Im Idealfall schaffe ich es im Anschluss, das Spiel ungespoilert zu schauen. Dann hab ich an diesem Samstag das Beste aus zwei Welten und zwei geilen Sportarten mitgenommen, die wir bitte nicht mehr vergleichen, sondern einfach nur genießen sollten.


Von Thomas Poppe
(hat Gabelstapler-Turniere als seine dritte Leidenschaft in diesem Text komplett vernachlässigt – schade, Anm. d. Red.)