Super League: So gespalten ist die FUMS-Redaktion
Die Meldung über die geplante Super League bestimmt aktuell die Schlagzeilen der Fußballwelt. In der FUMS-Redaktion gehen die Meinungen zu dem Thema dabei ziemlich weit auseinander.
Thomas Poppe: Sollen sie machen…
Ganz ehrlich, ich verstehe die Aufregung nicht so ganz. Sollen sie machen. Raus aus den drei Ligen, die es aktuell sind. Nehmt noch ein paar Teams mit und dann Adios! Seit Jahren ruft die Fanbase in Europa nach Veränderungen. Endlich wieder andere Meister, mehr Chancengleichheit, weniger Schere zwischen Topteams und kleinen Clubs. Und jetzt, wo ungewollt die Reform ansteht, ist es auch nicht Recht. Klar, die Uefa muss Härte zeigen. Denn einen Ligabetrieb mit den Super League-Teams, die dann mit Milliarden gefüttert werden, darf es auf keinen Fall geben. Ganz raus oder ganz bleiben. Dazwischen darf es nichts geben. Und das wird sich die Uefa auch nicht bieten lassen.
Nehmen wir mal an, es passiert: Liverpool, Real, Inter und Co. verlassen ihre Ligen. Plötzlich wären Getafe, Leeds oder Bergamo Anwärter auf die Meisterschaft, vielleicht sogar bald auf die Champions League. In Deutschland wäre – sollten die Bayern und der BVB das unmoralische Angebot der Eliten doch noch in den kommenden 30 Tage annehmen – endlich wieder ein offenerer Wettbewerb möglich. Der letzte Champion mit anderem Namen war Wolfsburg- 2009. Pokalsieger in den letzten 10 Jahren? Auch 7x FCB oder BVB.
Die reine Idee dieser Superliga zeigt übrigens vor allem eines: Der europäische Markt ist den Giganten-Vereinen längst zu klein. Kein Wunder. Als die Bayern sich Mitte der 10er-Jahre stärker internationalisierten, errechnete man, dass es allein in China 170 Millionen Fußballfans gäbe. Fast 90 Millionen davon mit Sympathie für die Bayern. 90 Millionen potenzielle Trikots und Schals. 170 Millionen potentielle Zuschauer. Nur in China wohlgemerkt. Was für eine Wucht. Sollen sie machen. Lasst sie die Taschen füllen, bis sie platzen. Jeder Fan hat die Wahl. Den Mummenschanz mit Anstoßzeit 12 Uhr und Cup-Finale in Peking oder die Liga im eigenen Land, in der der Topverdiener dann eben nur noch zwei oder drei und keine zwanzig Millionen mehr verdient. Es liegt an der UEFA jetzt durchzugreifen und an uns, ob wir den Wahnsinn mitmachen.
Eva-Lotta Bohle: Das Business ist krank
Es war ein Schwanken zwischen Unglauben, Resignation und purer Wut, als die Super League in der Nacht von Sonntag auf Montag ihre Gründung publik gemacht hat. Unglauben darüber, dass diese zwölf Vereine es tatsächlich durchgezogen haben, nach Wochen, Monaten, ja vielleicht sogar Jahren der Spekulationen. Ein Unglauben, mit dem ich auch nicht komplett alleine bin, wenn man sich mal die Reaktionen von aktiven Akteur*innen wie beispielsweise Bo Svensson in Mainz oder auch Robert Klauß in Nürnberg anhört.
Resignation, weil mich das Ganze auch eigentlich nicht mehr wirklich wundert, wenn man sich ganz aktuell beispielsweise die Ideen der UEFA zur Champions League Reform mal näher angeguckt hat. Zum Teil ging die Resignation so weit, dass ich alle möglichen Gerüchte rund um die Weiterführung von nationalen Ligen sowie internationalen Wettbewerbern auch mehr oder weniger für glaubhaft erachtet hab – weil es eben ins Bild passt.
Was aber letztendlich überwiegt, ist die Wut: Ich bin wütend darüber, dass diese sogenannte Super League ernsthaft so tut, als handele sie im Sinne der Fans. Genau die Gruppe von Akteuren im internationalen Fußball, die, mit kurzen Unterbrechungen, seit 12 Monaten nicht mehr ihr ursprüngliches Sprachrohr – die Stadien ihrer Herzensvereine – nutzen können. Wut darüber, dass sowohl UEFA als selbstinszenierte „Gute“ in diesem Spiel auf der einen als auch diese zwölf Vereine auf der anderen Seite ernsthaft jetzt Solidarität und Faninteressen fordern und vertreten wollen, dabei aber eigentlich nie mit eben diesen Fans gesprochen haben. Die Zahlen, die rundum diese neue Liga im Raum stehen, sind dann eigentlich die Spitze des berühmten Eisbergs – oder vielleicht auch nur das Fundament.
Seit Jahren fordern Fanvertreter*innen unter anderem die Integrität des Wettbewerbs und eine faire Verteilung von Geldern – durch diese neue Liga ist das fast ein Ding der Unmöglichkeit, auch wenn bisher zumindest kein deutsches Team Teil dieser Liga sein wird, wo man auch nicht genau weiß, ob das jetzt gut oder schlecht ist.
Abschließend bleibt mir eigentlich nur das zu wiederholen, was man seit circa einem Jahr von Fanszenen und -vertreter*innen immer wieder hören und sehen kann: Das Business ist krank. Und vielleicht ist es auch langsam unheilbar.
Solveig Haas: Es bricht mir das Herz
„Was würdest du tun, wenn du ein Herz hättest?“, fragt Dorothy in „Der Zauberer von Oz“ den herzlosen Zinnmann. Auf den Profifußball übertragen wäre die Antwort sicher nicht „Eine Super League gründen, in der mit Unsummen jongliert wird und der nur eine handverlesene Elite der Fußballvereine angehören darf.“ Denn das ist so weit weg vom Herz des Fußballs, wie es nur geht.
Daran, dass Fußballromantik zumindest auf der Profiebene tot ist, zweifelt glaube ich fast keiner mehr. Das Business ist krank, keine Frage. Aber es fehlt eben nicht Geld, nicht Gold, nicht Glamour, sondern Herz. Dass die Beteiligten dieser Liga glauben, sich das mit einem derart elitären Zirkus zurückholen zu können, ist absurd. Dass sie auch noch glauben, das im Sinne der Fans zu tun, noch absurder. Bei den Fans schlägt das Herz, das dem Fußball fehlt, nämlich noch. Aber sie sind müde davon, nicht gehört zu werden, wenn es um berechtigte Anliegen geht. Müde davon, in Geld, Lebenszeit und Einsatz dafür zu zahlen, dass ihr Fußball sich immer mehr von ihnen entfernt. Sie sind wütend, denn es macht wütend, wenn man immer wieder Gefühle investiert, die jedes Mal für Geld verkauft werden.
Der Zauberer in der goldenen Stadt Oz entpuppt sich am Ende als Lügner, der mit viel Prunk und Lärm zu verdecken versucht, wie klein er eigentlich ist. Und es stellt sich heraus, dass Dorothy, der Zinnmann und alle anderen eigentlich schon haben, was sie brauchen. So wie unser Fußball schon alles hat, was wir brauchen – wenn die Verantwortlichen nur sehen würden, wo es zu finden ist. Den Fans eine Super-League vor die Nase zu setzen, die für noch mehr Geld und noch mehr Kommerz steht, könnte ihren Geduldsfaden jedenfalls endgültig reißen lassen. Der ist nämlich von den vorherigen Plänen der UEFA und anderer Verbände ohnehin schon massiv strapaziert.
Was das für den Fußball an sich bedeutet, ist für mich nicht abzusehen. Für den Fußball, wie ich ihn liebe, bricht es mir das Herz.
Ole-Jonathan Gömmel: Zwei Punkte geben mir Hoffnung
Es ist passiert. Die Eruption des Arroganz-Vulkans namens „Super League“, dessen Brodeln im Rahmen der Football Leaks vor einiger Zeit öffentlich gemacht wurde, hat endlich stattgefunden. Die geschlossene Liga, deren Gewinner viermal so viel Geld wie ein Champions League-Sieger verdienen wird, soll noch dieses Jahr starten.
Da der Vorschlag so absurd ist, möchte ich gar nicht näher auf dessen Einzelheiten eingehen. Fest steht, dass die Präsidien der teilnehmenden Vereine ihre Anhänger vor den Kopf gestoßen haben. Tradition, Fußballkultur und Vereinswerte werden mit Füßen getreten. Die Gründungsklubs der Super League sind außerdem fast alle hoch verschuldet. Der Wettbewerb wirkt als verzweifelter Versuch, noch mehr Geld zu verdienen, um weiter Fantasiegehälter und Fantasietransfersummen zahlen zu können – um sich dann noch weiter zu verschulden.
Mindestens genauso lächerlich wie die Super League-Bekanntgabe sind übrigens die unglaubwürdigen Anti-Statements notorisch geldgeiler Verbände und Clubs wie UEFA, FIFA, RB Leipzig und PSG. Es ist offensichtlich, dass sie ihre Haltung nur einnehmen, weil sie (noch) nicht selbst vom Wettbewerb profitieren.
Die Entwicklungen zeigen mal wieder, dass der Fußball für viele Menschen nicht mehr ist als ein Instrument des Kapitalismus. Zwei Punkte geben mir dennoch Hoffnung: Ebenso wie Borussia Dortmund und der FC Bayern München (die, Stand heute beide noch nicht in der Super League antreten möchten), sind auch der FC Barcelona und Real Madrid auf eine Super League-Zustimmung ihrer Mitgliederversammlung angewiesen. Bei der aktuellen Meinungslage scheint diese sehr unwahrscheinlich. Des Weiteren äußern sich bereits erste Spieler, wie etwa Bruno Fernandes von Manchester United, negativ zu den Plänen. Wenn es die Macher der Super League am Ende durch ihre Gier geschafft haben, ein gemeinsames Feindbild für Spieler und Fans zu kreieren, dass zu einer Annäherung der beiden Lager führt, könnte aus der kollektiven Fan-Frustration sogar Hoffnung entstehen.
Wichtig ist, dass nun auch weitere Fans und Spieler laut handeln. Denn: Aus Europas lebhafter und bunter Fanlandschaft darf niemals ein graues, versteinertes Pompeji werden.