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Wie ich lernte, Real Madrid zu bewundern

Real Madrid gewinnt zum dritten Mal in Folge die Champions League. Bayern-Fan Felix Haselsteiner (bitte nicht sofort den Tab schließen jetzt) hat mal aufgeschrieben, was das plötzlich mit ihm gemacht hat. Eine bemerkenswerte Umkehr der Verhältnisse von Antipathie zur Sympathie. Nun kann man entweder direkt verständnislos den Kopf schütteln oder aber diesen Text lesen und dann verständnislos den Kopf schütteln. Haha…Spaß. Ist natürlich viel Wahres dran, wenn es unter anderem heißt, dass Modric & Kroos „Fußballgeschichte live“ sind – eben mit das Beste, was das oberste Regal aktuell zu bieten hat. 


Ich hätte mir in meinen kühnsten Träumen kein Szenario ausdenken können, in dem ich Real Madrid den Champions-League-Titel gegönnt hätte. Schon wieder diese Ansammlung an unfairen, arroganten Egomanen? Schon wieder Ronaldo, diese ewig perfekte und dadurch für mich so abstoßende Persönlichkeit?

Und wer es mit dem FC Bayern oder alternativ mit dem Fairplay-Gedanken hält, kann Sergio Ramos eigentlich keinen Titel wünschen, sondern höchstens eine lebenslange Rotsperre.

Und dann auch noch Liverpool auf der anderen Seite. Der Verein, der die komplett gegensätzlichen Gefühle auslöst. Liverpool hat etwas unheimlich Menschliches und Bodenständiges an sich. Klar leben die auch finanziell in einer Welt fernab unser aller Vorstellungskraft, aber immerhin mit Charme und Underdog-Image. Kurzum: Würdet ihr einem Bayern-Fan sicher nie zutrauen, aber der Underdog war mir hundert Mal lieber als der große Favorit.

Modric/Kroos ist Fußballgeschichte live
Und trotzdem saß ich eine halbe Stunde nach dem Spiel mit einem Lächeln auf den Lippen auf dem Fahrrad und wäre fast gegen eine Straßenlaterne gefahren, weil ich so fasziniert davon war, wie sehr ich Real Madrid diesen Titel gönnte. Klar sind die Typen im weißen Trikot alle Grenzgänger, aber – Ramos und Ronaldo mal ausgenommen – was für überragende Fußballer sind das, was für eine legendäre Mannschaft ist das?  

Alle Welt dachte, es würde niemals jemand an das Mittelfeld-Duo Xavi/Iniesta heranreichen, bis Modric/Kroos das „next big thing“ wurden. Diese schwebende Anmut, mit der die beiden eine Fußballmannschaft sortieren, ein Spiel in ihren Bann ziehen können ist vielleicht einzigartig in der Fußballgeschichte. Man kann, gerade als Münchner, viel Kritisches über Toni Kroos sagen, aber man muss ihm sein Weltklasse-Level zugestehen. Ehrlich jetzt:

Kaum ein deutscher Fußballer hat in seiner Karriere soviel richtig gemacht – und keiner hat seit sehr, sehr langer Zeit eine nicht-deutsche Mannschaft so entscheidend geprägt.

Nahe an der Unbesiegbarkeit
Und dann schmeißt Zinedine Zidane, der mir 2002 in meinem ersten live Champions-League-Finale gezeigt hat, was ein Traumtor ist, Gareth Bale ins Spiel – und der macht seinen Trainer vergessen und erzielt ein Tor, bei dem du nicht mal sitzen bleiben kannst, wenn du nachts in Barca-Bettwäsche schläfst. Dass der eine Spieler, den bei Real niemand auf der Rechnung hatte, dieses Spiel entscheidet – dass sozusagen der Underdog neben CR7 groß abräumt, hat mir irgendwie gezeigt, dass der Fußball dann doch wieder gerecht ist und immer wieder die ins Rampenlicht stellt, die es verdient haben und nicht die, die den Scheinwerfer selber auf sich richten.

Dieses Real Madrid ist eine Mannschaft für die Ewigkeit. Sie hat einen furchteinflößend ruhigen und scheinbar normalen, am Ende aber galaktischen Trainer. Sie hat furchteinflößend gute Fußballer und furchteinflößend asoziale Grenzgänger. Sie hat eine Aura, die dir als Gegner schon vorm Fernseher so viel Angst macht, dass du in keiner Sekunde daran glaubst, dass dein Verein als Sieger vom Platz geht (ich spreche da aus Erfahrung). Real Madrid ist die eine Mannschaft, die der Unbesiegbarkeit am nächsten kommt – und das ist das große Los im Fußball, das eigentlich jeder gerne für sein eigenes Team hätte.

Es ist kaum zu glauben, aber ich habe drei CL-Spielzeiten und zwei bittere Niederlagen gebraucht, um zu realisieren, dass meine offene Abscheu gegenüber Real Madrid ganz tief drinnen eigentlich Bewunderung und Faszination ist. Hala.


Von Felix Haselsteiner
(Fan von Bayern und Real – fehlen eigentlich nur noch RB Leipzig, City und PSG jetzt, Anm. d. Red.)