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Jadon Sancho & Co: Absurde Transferdeals stoppen!

Ihr kennt das: Dinge, die einem auf den Zeiger gehen, geht man aus dem Weg. Wie dem Großonkel auf Familienfesten zum Beispiel, der immer wieder von seiner Eisenbahn im Hobbykeller anfängt. Unser Lokführer-Azubi für FUMS-Ersatzverkehr Ole-Jonathan Gömmel probiert seit einiger Zeit, Transfersummen im Profifußball zu ignorieren. Haha. Erstes Zwischenfazit: Funktioniert nicht. Push-Nachrichten über Millionentransfers in der Sommerpause rasseln genauso zuverlässig rein wie die Geruchsmelange aus Jägermeister und Ck One an Ommas Geburtstags-„Feier“. Bewegt sich beides zielsicher auf mich zu, lässt sich nur schwer verhindern, muss man irgendwie mit leben.


Der Verwandtenkontakt fiel durch die Corona-Pandemie dieses Jahr mau aus – die Transfernews sind hingegen präsent wie immer. Heißeste Ware in diesem Sommer: Jadon Sancho, um dessen Verpflichtung sich vor allem Manchester United bemühte. Den Preis von 120 Millionen Euro, den Borussia Dortmund für ihre Scoringmaschine forderte, wollten die Engländer allerdings nicht zahlen. Auch im Profifußball schränkt Corona die finanziellen Möglichkeiten ein – so zumindest der Stand zu Beginn der Verhandlungen. Ob United kurzfristig Erfolg bei einem Soforthilfeantrag hatte oder David de Gea zwang, seinen Haarwachs-Vorrat zu veräußern, ist nicht überliefert. Klar war laut Medienberichten hingegen: Der Club sei ein paar Tage später doch bereit gewesen, die 120 Millionen nach Dortmund zu überweisen. Über drei Jahre sollten erst 70, 30 und abschließend 20 Millionen Euro gezahlt werden. Was für ein hin und her. 

Ob United die Summe am Ende nun wirklich zahlen wollte oder nicht, war BVB-Manager Michael Zorc anscheinend von Beginn an egal. Er habe den Vertrag Sanchos vor einiger Zeit heimlich bis 2023 verlängert – der Brite spiele deshalb auch in der kommenden Saison „definitiv“ für Schwarz-Gelb.

Verrückte Entwicklungen auf dem Transfermarkt

Wie absurd die Transfergeschäfte im Profifußball in den letzten Jahren geworden sind, kann man an der Transferbilanz von Manchester United allerdings auch ohne Sancho-Deal erkennen. In der Amtszeit von Sir Alex Ferguson gewannen die Red Devils von 1986 bis 2013 38 Titel. 790 Millionen Euro gaben sie in diesen 27 Jahren für Neuzugänge aus. Viel Geld, das jedoch Titel, Ruhm und Ehre in die graue Stadt am River Irvell brachte. Die Top-Verpflichtung dieser Ära war Rio Ferdinand. Für 46 Millionen Euro kam Ferdz 2003 aus Leeds und war danach über Jahre einer der besten Verteidiger der Welt. Heute ist alles anders. Zum Vergleich: Letztes Jahr kaufte United für 87 Millionen Euro Innenverteidiger Harry Maguire – ein Spieler, der nur in zwei der sieben wichtigsten Defensivstatistiken in den Top Ten der Premier League steht.

„Seit 2013 wurden im Old Trafford rund 1,11 Milliarden Euro in Neuzugänge investiert. Also weitaus mehr, als in den 27 Jahren unter Ferguson.“ Natürlich muss man bei so einem Vergleich die Inflation bedenken und den Fakt, dass der Umsatz des Vereins im Laufe der Jahre anstieg. Die Explosion der Transferausgaben steht jedoch trotzdem in keinem Verhältnis zum Wertverlust des Geldes oder den Mehreinnahmen. Sie fußt auf den Vorstellungen und finanziellen Möglichkeiten einzelner Investoren.

Schon zehn Mal wechselten in den letzten sieben Jahren Spieler für Ablösesummen von über 100 Millionen Euro den Verein. Was passiert als nächstes? Knackt ein Spieler die 500 Millionen Grenze? Kaufen sich Drittligisten Weltmeister? Oh, das gabs ja schon. Öl-Mäzen Michail Ponomarew fungierte dabei als Visionär, als er Kevin Großkreutz 2018 nach Uerdingen lotste. Große Klasse!

Wohin führt dieser Wahnsinn?

Egal ob in Deutschlands dritter Liga oder an der Spitze Europas: Die Dichte großer Finanziers und gieriger Berater, die sich in einem scheinbar unendlichen Geld-Wettstreit mit utopischen Summen überbieten, wird gefühlt in jeder Transferperiode höher. Der Fußball wandert zielstrebig in eine autonome Blase, unberührbar und unbeeinflussbar von äußeren Faktoren. Die Lebensrealität von Unterstützern und Vereinen driftet dabei kontinuierlich auseinander. Der Sport alleine wird bald nicht mehr als Bindeglied zwischen den Welten ausreichen. Wann begreifen die Entscheidungsträger endlich, dass ein sinnvolles und verpflichtendes Financial Fairplay eingeführt werden sollte? Wann gibt es endlich einen Deckel für Gehälter und Ablösesummen, der auch kleineren Vereinen erlaubt, mal wieder im großen Geschäft mitzumischen? Wann wird die Entfremdung zwischen Teams und Fans gestoppt?

Der Profifußball ist nichts für Romantiker. Er ist unbezahlbar, arrogant, übermächtig und zügellos – ein nerviges Ding. Quasi wie mein Großonkel. Ich liebe ihn aber trotzdem irgendwie.


Von Ole-Jonathan Gömmel
(arrogant, übermächtig, zügellos, Anm. d. Red.)