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Buschmann: Ich habe Verständnis dafür, dass man nach Aufmerksamkeit schreit

Du machst von deinem Grundrecht gebrauch, dich zu wehren quasi…
Ich werde über Social Media manchmal angegriffen, da überlegt man sich tatsächlich, ob man den Job noch weiter machen will. Und ich bin so einer, ich mache mir die Mühe. Und wenn du die ersten 100 User blockiert hast, dann bleibt nichts mehr übrig.

Tut dir die kostbare Zeit nicht leid, die du da mit dem Blockieren von Usern verschwendest?
Nein. Und jetzt kommen wir zum entscheidenden Punkt: Mein Job ist ja immer noch etwas Anderes, mit Social Media verdiene ich im Normalfall gar kein Geld, weil ich da kaum Werbung mache. Für einen großen deutschen Schokoladenhersteller vielleicht mal…

Ein eigenes Buch kannst du dort aber schon sehr gut ankurbeln…
Ja, das kann ich ankurbeln, aber das war nie die Grundidee. Aber ich habe das erste Buch auch wegen Social Media geschrieben, weil die User mich kontaktiert haben: Aus den Dingen, die du hier auf Facebook aufschreibst, müsstest du mal ein Buch machen. Aber ich bin in Social Media aktiv, da ich einfach nur Kontakt zu den Sportfans haben wollte. Ich wollte mir direktes Feedback abholen. Ich hatte keine Ahnung, wieviel auf den Sack das auch bedeutet. Die wirklich intimen Dinge, die ich auch lange zugelassen habe, sind bei mir weniger geworden. Das habe ich früher nicht so kontrolliert, da habe ich gedacht: Hey, das ist für 10.000 Verrückte, und wir tauschen uns einfach aus. Mittlerweile setze ich es manchmal auch bewusst ein. Wenn ich mal mit den Usern diskutieren will, mache ich das auch. Aber das ist nicht die Grundidee.

Du sagst selbst von dir, du bist auch selbstkritisch. Kannst du das konkretisieren?
Ich werde das nie vergessen: Das war noch beim DSF und einer Zusammenfassung des Zweitligaspiels Burghausen gegen Freiburg für Hattrick. 3:2 ist das ausgegangen glaube ich.

Da bist du wieder lauter geworden vermutlich…
Da hat mein damaliger Leiter der Sendung gesagt: Buschi, es war kein WM-Finale, aber man könnte es vermuten. Und mein Reflex ist in solchen Situationen immer, direkt kontra zu geben: „Du hast ja keine Ahnung, das sind meine Emotionen. Da sind fünf Tore gefallen.“ Und dann habe ich mir das nochmal angeguckt und gemerkt: Eigentlich war das wirklich kein besonderes Spiel.

Früher habe ich durchgebrüllt, wenn ich live on air war. Das ist mir heute zu anstrengend.

Es gibt auch Folgen von Ninja Warrior Germany, die ich mir dann anschaue, weil meine Kinder das unbedingt sehen wollen. Und dann sitze ich da und denke: Jetzt schalt doch mal drei Gänge runter. Dass das nicht jedem gefallen kann, ist mir vollkommen klar.

Wenn du samstags bei Sky in München sitzt und aus der Box die Konferenz kommentierst, gemeinsam mit den Kollegen, muss man sich eigentlich fast wundern, dass man dich in den anderen Spielen nicht auch schreien hört, zumal ihr ja alle relativ komprimiert zusammenhockt dort…
Das kann ich euch technisch nicht erklären. Aber das ist für mich auch ein Wunder. Wir Kommentatoren in der Konferenz sind nicht durch Wände getrennt. Wenn da einer brüllt, hört man das auch. Aber das ist vielleicht durch die Mikrofone abgefedert. Wobei ich auch sagen würde: Es ist ja nicht so, dass es immer laut ist. Es hängt auch von den Charakteren ab, die da sitzen. Wenn Toni Tomic oder Oliver Seidler in der Konferenz sitzen, ist es anders, als wenn Wolff Fuss und Frank Buschmann da sitzen. Da würde mich mal interessieren, wie ihr das empfindet. Wolff und ich brüllen ja nicht permanent durch. Am Anfang dieser Saison haben mir Leute geschrieben und gefragt, was los wäre, weil ich ja so ruhig wäre. Ich glaube nur, irgendwann bist Du in einer Schublade. In die ich mich auch selbst hineingesetzt habe.

Ja, beigetragen dazu hast du definitiv…
Da schreibt mir ein User im Rahmen des 3:3 zwischen Dortmund und Hoffenheim in dieser Saison, nachdem Dortmund noch in der 73. Minute 3:0 geführt hat – ich solle das 3:3 von Hoffenheim komplett nüchtern kommentieren. Möglichst so – „Und hier der Ausgleich“ (spricht bewusst zurückhaltend). Wer macht denn sowas? Wer bleibt den von den Zuschauern zu Hause ruhig auf dem Sofa sitzen und reagiert da nicht?

Wie siehst du die Kollegen, die ruhiger sind und weniger aus der Haut fahren? Fragst du dich da auch, wie man in emotionalen Momenten so ruhig bleiben kann?
Nein. Ich habe mir abgewöhnt, ins Detail zu gehen. Ich beurteile nicht Kollegen, wie sie das machen. Weil das ja auch nur mein Geschmack ist. Ich war immer ein Bewunderer von Marcel Reif. Weil ich finde, es gibt bis heute keinen, der mit der deutschen Sprache so gut umgehen konnte, wie er. Und übrigens auch da sieht man hier: Wenn diese Kommentatoren nicht mehr da sind, merken die Leute erst, wie gut sie waren. Euer Hashtag #FRITZLOVE ist das beste Beispiel. Den hätten die Internet-User mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt. Jetzt wird er gefeiert, da habt ihr entscheidend mit zu beigetragen und da ist ein Hype entstanden. Keine kleine Blase, eine große Blase. Und völlig zu Recht übrigens, weil der Mann über Jahrzehnte einen guten Job gemacht hat. Huiuiui! (laut). Das fällt übrigens heute noch bei so mancher Sendungskritik. Bei Fritz haben die Leute geschmunzelt. Dass wir als Kommentatoren auch mal Fehler machen, ist doch klar. Ich habe Fritz immer gemocht und ich habe Marcel immer gemocht.

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Wir haben über Unterhaltung und Emotionen gesprochen, jetzt mal zur kompletten Gegenseite: Taktiktalk, Nerdtalk…
Selbst ich gucke Fußball anders als früher, was mir manchmal weh tut. Ich bin ja eben doch nicht so ganz der alte, weise Mann. Aber ich merke schon, dass mich das doch geprägt hat. Gott sei Dank ist Packing wieder vom Radar verschwunden. Trotzdem schaue ich auch: Was ist mit dem abkippenden Sechser? Das hat Schmiso (Florian Schmidt-Sommerfeld, Anm. d. Red.) mir ja irgendwann mal erklärt. Es ging ja los mit der falschen Neun. Dann mit: Wir müssen in die Räume zwischen den Reihen kommen. Manche Leute kommentieren ja, als würden sie eine Magisterarbeit schreiben. Das mag inhaltlich sehr gut sein, aber für wen? Für wen begleite ich diese Spiele? Ich bin ja nur ein Begleiter. Ich soll den Leuten etwas näherbringen und es ein wenig analysieren. Nicht zu viel übrigens, sonst vermittele ich den Eindruck, ich wäre schlauer als Herr Guardiola oder Herr Kovac.

Das ist übrigens eine Kritik, die ich an nicht genannte Kollegen mal gerne loswerden möchte: Haltet euch nicht für schlauer, als die Menschen, die es zu entscheiden haben und die es machen.

Das wird nicht funktionieren. Deshalb ist es ein schmaler Grat mit der taktischen Analyse. Ich ertappe mich dabei, wie ich auch sage: frühes anpressen, sie stehen hoch – so habe ich früher nicht gesprochen. Da habe ich gesagt: Sie gehen drauf, sie machen Druck. Wenn du heute noch so sprichst wie ich, dann kommt sofort: Der hat doch keine Ahnung.

Mir haben zwei Fußballprofis, deren Meinung ich sehr schätze, unabhängig voneinander – der eine sitzt manchmal als Co-Kommentator in der Konferenz – gesagt: Buschi, ich muss dir mal sagen: Du hast echt Ahnung vom Sport. Du liest Situationen richtig. Das hat mich total überrascht und gefreut. Die Zuschauer wollen Einordnung, Analyse, aber sie wollen kein Taktikseminar. Das ist ganz wichtig.

Ja, der goldene Mittelweg ist wichtig, aber das ist schwierig.
Genau. Die Mitte ist da, wo unsere Gesellschaft auch mal wieder hinsollte. Es gibt nicht nur schwarz und weiß, es gibt auch Grauschattierungen. Deshalb drehe ich auch immer so durch, wenn die Leute mich immer nur auf Emotionen reduzieren. Es wäre übrigens spannend zu sehen, welche taktischen Aufstellungen eine Mannschaft während eines Spiels abliefert und wer es komplett richtig erkennt.

Tobias Escher und Co. machen manchmal Analysen, da sagt ein Dieter Hecking: Wow, das wusste ich auch noch nicht, dass ich mir das dabei gedacht habe.

Guckt euch mal die ganzen Wundertrainer an. Das ist auch spannend. Tedesco hatte in dieser Saison den gleichen Fußball spielen lassen, als sie Vizemeister geworden sind. Da war er der Wundermann. Und jetzt kommt wieder eine alte Floskel: Wenn du Erfolg hast, ist alles richtig. Jetzt spielen sie um den Klassenerhalt und er ist mittlerweile entlassen. Ich tue mich einfach manchmal schwer mit abkippender Sechser und Co. Den Schmiso ärgere ich immer damit.

Schmiso findet ja wiederrum ganz gut die Mitte. Der hat Ahnung und man kann ihm trotzdem folgen…
Für mich ist das ein Riesentalent. Der ist genauso geisteskrank wie ich früher war. Der guckt übrigens nicht nur Fußball. Der guckt einfach alles. Ich sage ihm immer: Manchmal wäre es gut, wenn er auch selbst ein bisschen Sport machen würde. Der hinterfragt alles und spricht mit den Menschen. Das gibt es ja heute kaum noch. Für mich eines der größten Talente der letzten 10-15 Jahre. Der liebt wirklich, was er da tut. Klar, er ist auch ein Klugscheißer für sein Alter, aber ich mag das.

Unabhängig von deinem Aprilscherz kürzlich: Vögel zwitschern tatsächlich, dass du bei FIFA als Kommentator aufhörst. Ist da was dran?
Also ich bin schon sehr lange dabei und ich bin mir nicht ganz so sicher, ob es nicht irgendwann reicht. Daraus könnt ihr aber nicht machen: Er hört auf.

Okay, aber: Er beschäftigt sich damit…
Vielleicht sagt ja auch EA Sports irgendwann: Es reicht.

Oder EA Sports sagt: Buschmann ist zu weit weg von der jungen Zielgruppe….
Da könnte ich euch jetzt Untersuchungen hinlegen, die das Gegenteil belegen.

Du hast ganz schön viele Untersuchungen….
Die Kids kommen zu mir und sagen: „Ey, hör bloß nicht auf mit FIFA. Ich sage dann immer: Das sagt ihr doch nur, weil ihr nichts Anderes kennt.“ In mir reift der Gedanke: Wie lange macht das noch Sinn? Ich bin mit Abstand derjenige, der das in der Historie von FIFA am längsten gemacht hat. Wie lange gibt es das überhaupt und wer war da alles?

Manni Breuckmann, legendär…
Werner Hansch! Die Frage ist: Wie lange passt das noch? Es soll alles immer skalierbarer werden. Und ich passe so schlecht ins Schema. Ich tue nur noch Dinge, von denen ich zu 100 Prozent überzeugt bin. Na gut, zu 90 Prozent.

Also: Verlasst euch drauf, dass Frank Buschmann das nicht für ewig macht.
Richtig. Das ist eine gute Aussage, das habt ihr gut auf den Punkt gebracht.

Wie musst du dich auf Unterhaltungsshows vorbereiten? Buschis Sechserkette, The Wall – das läuft dir alles aus dem Ärmel, oder?
Nicht ganz, bei Buschis Sechserkette muss ich mich schon auch vorbereiten. Da gibt es Gags, die man sich vorher überlegen muss. Zu Fotos und Filmausschnitten. Das schafft kein Mensch, das aus der hohlen Hand zu machen. Bei The Wall sage ich: Gebt mir meine Gewinnspielnummern, meine Begrüßung und dann Feuer frei. Das ist ja wie Sport, da weiß ich nicht, was passiert. Da muss ich mich nur an das Schema halten. Ninja Warrior ist für mich wie eine Livesport-Übertragung. Nur mit weniger Vorbereitung. Weil ich nicht über den Polizeimeister aus Köpenick genauso viel in Erfahrung bringen kann wie über einen Mario Götze. Und beim Polizeimeister aus Köpenick ist es egal, wenn er eine besondere Story hat, weil die Zuschauer es da draußen auch nicht wissen. Bei Götze aber wäre es ein Problem.

Und meint irgendjemand, ich gehe unvorbereitet in Juventus Turin gegen Atletico Madrid?

Natürlich gehe ich da top vorbereitet rein. Aber ist es wirklich relevant, dass ich den Zuschauern erzähle, wann Juventus das letzte Mal bei Atletico gewonnen hat? 1979? Nur als Beispiel, ich weiß nicht, wann sie dort zuletzt gewonnen haben. Das ist für das Spiel, das ich an dem Abend kommentiere, irrelevant. Das hat null Bedeutung. Da halte ich dann lieber die Schnauze. Ich bin mittlerweile, glaube ich, der, der bei Livespielen am meisten schweigt.

Das halten wir für ein Gerücht, ehrlich gesagt…
Ist aber so. Glaub ich.

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