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Hinteregger-Interview: Das Dümmste war die Frage!

Die Debatte um Martin Hintereggers Aussage nach dem Spiel gegen Bayer Leverkusen ist in vollem Gange. Dabei ist die Diskussion, WAS Hinteregger gesagt hat, nur eine Reaktion auf das, was er gefragt wurde. Eine ziemliche idiotische Frage. Der eigentliche Aufreger für unseren Prügelknaben Thomas Poppe.


Martin Hinteregger sagt, was er denkt. Dass das nicht immer Sätze sind, die man als Profi laut aussprechen sollte, dürfte mittlerweile jeder mitbekommen haben. Während seine Ambitionen in Sachen Ziehharmonika und Hubschrauberführerschein und seine Liebe zu Oma und dem Bergdoktor eher die Herzen höherschlagen lassen, spalten seine Ansagen zu Gegenspieler Selke und verabredeten Fan-Schlägereien Fußball-Deutschland bzw. die Fanlager. Hinteregger ist in Interviews das, was Neymar auf dem Platz ist. Spiel ihm den Ball hin und er wird liefern – so oder so. Und weil er einer der letzten Profis ist, die erst sprechen und dann denken, wird das zu gerne ausgenutzt. Wir haben den Hinti hier, der wird schon was geiles sagen, wenn wir nur wild genug bohren. Eigentlich könnte man Fragerunden, die aufregende Lines produzieren auch gleich „Hinterview“ nennen.

„Wir“ sind ja alle nicht ganz unschuldig. Denn genau solche Antworten sind es, die im Netz gefeiert, geteilt und geklickt werden. Hinteregger ist da das, was Capital Bra auf dem Musikmarkt ist: Ungewohnte Töne, aber garantiert ein Hit. Das bedingungslose Abkulten ist da genauso ein Problem, wie der erbarmungslose Shitstorm, wenn sich ein Fußballer fünf Minuten nach Abpfiff, noch voll gepumpt mit Adrenalin, vergaloppiert. Die deutsche Fußballlandschaft ist auf jeden Fall ziemlich groß darin jemanden zur coolen Sau zu ernennen und dann durch das digitale Dorf zu treiben. Am Ende bleibt die Wurzel allen Übels allerdings der Ursprung der Antwort: Die selten dämliche Frage so kurz nach Spielende.

Der Fairness halber muss man schreiben: Das Sportstudio hatte den Ausschnitt überhaupt nicht gesendet. Dass das Ding trotzdem den Weg aus dem Schnittstudio schafft, muss man sich aber vorwerfen lassen. Und es ist ja nicht nur Hinti und es sind ja nicht nur edgy Fragen zu Themen, die mit dem eigentlich Spiel nichts zu tun haben. Der 500. Versuch Flick einen Wechselwunsch zu entlocken, ist da genauso im Rennen wie die immer gleiche „Wie fühlen Sie sich“-Nummer nach Niederlagen. Ja, wie soll er sich denn fühlen? Super, die Frau macht später Pizza und im Fernsehen kommt Tatort, geil geht’s mir nach dem 0:4! Das legendäre „Woran hat et jelegen“-Interview mit Thorsten „Knippi“ Knippertz ist Alltag geworden. Dabei gäbe es in der Regel auch mehr als genug gute Fragen zum Spiel.

So wundert es nicht, dass immer mehr Profis nur noch Antworten herunterspulen, die ihnen ihre Beratungsagenturen zum Auswendiglernen hingelegt haben. In der Schule hieß es immer „Es gibt keine dummen Fragen“. Mit Blick auf so manches Field-Interview muss man das langsam echt mal korrigieren. Es kann auf jeden Fall nicht mehr lange dauern, bis mit Hinti dann auch der Letzte keinen Bock mehr auf Herz auf der Zunge hat und mit dem Phrasenkatalog um sich wirft. Dann müssen sich vor allem die Reporter und Reporterinnen eine Frage gefallen lassen: „Woran hat et jelegen?“


Von Thomas Poppe